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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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gebunden, sagte er.
    »Dann beschreibt mir wenigstens, auf welchem Weg ich bis an die Grenze des Totenreiches gelange.«
    »Kommt«, sagte Allwiss, »diesen Wunsch muß ich Euch wohl oder übel erfüllen.«
    Er führte ihn hinauf, zurück auf das Schlachtfeld, wo die Eichenhenker immer noch damit beschäftigt waren, die Gefallenen zu begraben. Sie traten an eine Grube, in der schon viele tote Ledermänner lagen. Immer noch wurden neue Leichen herangetragen und zu den anderen hinabgeworfen. Da hielt Allwiss zwei Eichenhenker, die einen Toten trugen, an. Es war ein junger Mann, etwa in Madrus Alter. Allwiss griff in die Hosentasche des Toten und zog etwas hervor.
    »Kennst du das?« fragte er und reichte Madru das Päckchen. »Wie ... mein Bilderspiel?«
    »Ganz recht«, sagte Allwiss, »er hat es in deiner Zelle gefunden, als sie das Haus der Lehren geplündert und verwüstet haben. Sie fanden dort wenig, was sie zum Mitnehmen verlockte. Aber die bunten Bilder tun es jedem an. So hat er dir dein Spiel zurückgebracht, und es kann dir den Weg zum Totenreich weisen.«
    Er machte den beiden Eichenhenkern ein Zeichen, sie könnten jetzt den Gefallenen zu den anderen hinab in die Grube werfen »Auf Wiedersehn, Madru«, sagte Allwiss, »ich bin sicher, wir sehen uns noch einmal.«
    »Leichen ... zu viele Leichen«, hörte ihn Madru murmeln, als auf seinen Stock gestützt fortging, zum Weißdornbusch hin. »I schlechter Traum diese Menschenwelt!«
     

SIEBZEHNTES KAPITEL
    Die Wanderung zur Großen Mauer • Der Lebensbaum des Sternensohnes wird gepflanzt, und warum Madru nicht ins Totenreich, sondern ins Land des Bösen gelangte

    Madru setzte sich auf einen Stein, der irgendwo auf dem Schlachtfeld aus der Erde ragte. Er mischte das Kartenspiel, zog eine Karte heraus und ließ sie vor sich auf die Erde fallen. Da hing sie zwischen den Grashalmen. Es war die sechste Karte des Spiels: DIE HECKENROSE. Er betrachtete das Bild. Er trat in das Bild ein, spürte, wie er zu einem Teil des Bildes wurde. Dann sah er sich selbst dabei zu, wie er aufstand und zu der Weißdornhecke ging.
    Ohne Schwierigkeiten gelangte er wieder hinüber in die Anderswelt. Er brauchte nur dem Gelächter und der Musik zu folgen. So geriet er auf das Fest, das zu Ehren des Sieges der Baumwesen gefeiert wurde. Eigentlich wollte er zwischen den Tanzenden nur hindurchgehen, sich nicht weiter um sie kümmern.
    Er hatte nur das Ziel vor Augen, Alissa zu finden. Aber dann trat eine junge Frau auf ihn zu, deren traurige Augen ihm auffielen. Die Musik klang so verlockend. Eine Erinnerung war darin an etwas, das sehr lange zurücklag, doch es wollte ihm keinesfalls einfallen, woran.
    Er begann mit der Frau zu tanzen. Sie hatte langes blondes Haar und trug ein einfaches weißes Kleid mit einem Gürtel aus Weidenblättern um die Hüften. Wie er sie so herumwirbelte und sie leicht wurden wie zwei Federn, mit denen der Wind spielt, fiel sein Blick auf die Musikanten, und er sah unter ihnen einen Fiedler, der Ase glich. Ja, sagte er sich, als sie die nächste Drehung machten und es mit dem Ausblick auf die Musikanten vorbei war, es muß Ase sein. Bis er aber wieder hinsah, war der Mann verschwunden. Madru hielt beim Tanzen inne und schüttelte den Kopf.
    »Was hast du denn?«, fragte die junge Frau, »gefällt es dir nicht, wie ich tanze?«
    »Doch«, antwortete er, »es tanzt sich gut mit dir. Man wird leicht dabei. Aber ich muß weiter. Ich will ins Totenreich. Du weißt nicht zufällig den Weg dorthin?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Denk nach. Du mußt etwas wissen, sonst hätte ich diese Karte nicht gezogen.«
    »Das Wasser, wenn es vorbeifließt, murmelt so manches«, erwiderte sie.
    »Erinnere dich!« beharrte er
    »Ich weiß nicht«, sagte sie mit einem trägen Lächeln, »ob du nun heute gehst oder morgen, davon wird der Weg nicht kürzer und nicht länger. Du gefällst mir. Komm mit, dann kannst du selbst hören, was sie im Wasser reden.«
    »Wer redet da?« fragte er scharf.
    »Die Ertrunkenen. Meist sind es unglückliche Frauen.«
    Er schüttelte unwillig den Kopf, als glaube er ihr nicht, ging dann aber doch mit. Beim Tanzen war es ihm vorgekommen, als habe sie Alissas Augen. Als sie durch den Tanzsaal gingen, begegneten sie Bru, die mit großem Gefolge daherkam. Sie trug ein schimmerndes Seidenkleid und Seidenschuhe aus lindgrünem Atlas. In der Hand hielt sie einen Fächer, mit dem sie kokett spielte. Sie lachte und sagte: »Hat mein Ritter also doch noch

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