Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
Vom Netzwerk:
ließ.
    Endlich fand er Zeit, über all das noch einmal nachzudenken, was er in den letzten Tagen und Nächten erlebt hatte.
    Langsam tastete er sich auf der Spur seiner Erinnerungen noch einmal zurück. Darüber schlief er ein. Er schlief tief und lange. Als er erwachte, war es völlig dunkel. Er hatte Durst. Er trank einen Schluck Wasser aus dem Krug. Durch das Rauchloch sah er nach oben in einen Sternenhimmel. Ein Gefühl von Verlorenheit über kam ihn. Plötzlich hatte er den verrückten Gedanken, wieder davonzurennen, zurück zum Gehöft des Jarl, zu seiner Mutter. Er öffnete die Tür und trat hinaus ins Freie. Das Licht war blaßgrau wie immer in den Sommernächten. Es fiel ihm wieder ein, was Ase ihm gesagt hatte. Du solltest träumen, dachte er. So kehrte er wieder in die Hütte zurück und streckte sich auf den Fellen aus.
    Er tat lange nichts als sich auf seine Atemzüge zu konzentrieren. Er merkte, daß er so alle Bilder, die ihn sonst traurig werden ließen, ausschalten konnte.
    Es kam ihm vor, als höre er jemanden lachen. Er öffnete die Augen, stand auf und ging wieder zum Rauchloch. Vielleicht, dachte er, bekomme ich durch die Sternbilder einen Hinweis auf das, was ich den Druiden sagen soll. Kultan, der Schmied, hatte ihn die Namen vieler Sternbilder gelehrt und Geschichten dazu erzählt. Irgend etwas verdeckte den Ausblick in den Himmel. In dem unsicheren Licht, das durch die offengebliebene Tür fiel, erkannte er dort oben zwei Augen. Er dachte an ein Tier. Vielleicht eine Wildkatze. Er griff dorthin, wo er gewöhnlich sein Messer trug. Es fiel ihm ein, daß er es ja der Möndin zum Opfer dargebracht hatte. »Du wirst dein Messer nicht brauchen«, sagte eine Stimme.
    »Wer ist da?«
    »Ein Mädchen.«
    Es fiel ihm ein, daß er mit niemandem sprechen sollte. »Was tust du hier?«
    »Ich bin neugierig.«
    Er stand neben dem Stoß Feuerholz. Oben die Augen lachten. Sie mußte auf das Dach geklettert sein.
    »Vorhin waren dort Sterne, wo jetzt dein Gesicht ist.« »Wirklich?« sagte sie. »Wie hübsch.«
    Der Klang ihrer Stimme gefiel ihm.
    »Bist du aufgeregt?« fragte sie.
    »Nein … weswegen auch?«
    »Weil du nun als Erbe des Fürsten eingesetzt wirst … weil du ein Prinz wirst.«
    »Es wird hinterdrein nicht viel anders als vorher sein. Willst du nicht zu mir hereinkommen? Es ist unbequem, sich so zu unterhalten.«
    »Wer sagt denn, daß ich mich mit dir unterhalten will?« antwortete sie. »Eigentlich wollte ich nur einmal sehen, wie du ausschaust, nachdem die Tiere soviel Aufhebens gemacht haben von dir.« »Wer?« fragte Madru ungläubig.
    »Die Leute in der Fürstensiedlung …«
    Es war ihm, als habe sie zuvor etwas anderes gesagt. Sie könne unbesorgt hereinkommen, meinte er dann.
    »Du scheinst wirklich ein Prachtexemplar von einem Prinzen zu sein«, sagte sie spöttisch, »wenn sie herausfinden, daß ich dich besucht habe, schlägt man mir den Kopf ab, nicht dir.« »Wirklich?« fragte er ganz erstaunt.
    »Ja doch. Du bist ein Mann, ein Herr, ein Prinz. Ich bin nur ein unnützes weibliches Geschöpf.«
    »Ich bin gespannt, ob, du dich trotzdem getraust, zu mir hereinzukommen. «
    »Eingebildet bist du auch gar nicht, wie?«
    Das Gesicht oben verschwand. Er nickte zufrieden. Einen Augenblick später kam das Mädchen zur Tür herein. Sie trug eine lange Jacke aus verschiedenen bunten Stoffen zusammengesetzt, einen langen Rock und um den Kopf ein großes Tuch, das aussah, als sei es aus bunten Blättern zusammengesetzt. Eine breite Strähne rötlichen Haars hing ihr in die Stirn. Das Gesicht war mehr drollig als hübsch. Es war mit unzähligen Sommersprossen gesprenkelt. Die Augen hatten etwas Sanftmütig-Melancholisches. Madrus Blick verharrte auf dem Tuch. Er fragte sich, ob es tatsächlich aus Blättern sei.
    »Ja«, sagte sie plötzlich mit einer raschen Handbewegung, »jetzt hast du genug gesehen. Du darfst auch noch etwas für andere Leute übriglassen.«
    »Es ist nicht sehr hell hier«, entschuldigte er sich.
    Sie lächelte. Ein merkwürdiges, halb spöttisches, halb anlockendes Lächeln.
    »Wer bist du?« fragte Madru.
    »Die jüngste Tochter des Fürsten.«
    »Ah«, sagte er, »Familie ...!«
    »Wenn ich ein Junge geworden wäre, hätten sie keinen Sternensohn suchen müssen.«
    »Bist du deswegen wütend auf mich?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Und dieses Tuch … ich bin mir nicht sicher … ist es wirklich aus Blättern zusammengenäht?«
    »Nicht genäht ...

Weitere Kostenlose Bücher