Madru
schlimmsten, denn aus dem weißen Rauch sah Madru nur auf die leere schwarze Lavawüste hin.
Als erstes der Tiere kam die Elster wieder. Sie brachte erst seine Lippen und nach und nach alles andere Fleisch und legte es in den Sand. Dann sprang die Kröte herbei mit einem Knochen im Maul. Als Letzter kam der Dachs. Sein Fell war nicht mehr glatt wie vorhin, sondern struppig.
»Ho«, sagte er und legte ein zuckendes Herz unter den Knochen, »es gab jemanden, der hätte das Herz lieber für sich behalten. Aber so haben wir nicht gewettet. Nun wollen wir den Jungen wieder lebendig machen. Was schenkst du ihm für sein weiteres Leben, Kröte?«
»Ich schenke ihm, daß er jung bleibt, so alt er auch werden mag«, sagte die Kröte, »und wenn er einst stirbt, so soll er eines leichten Todes sterben und jene, die ihm am liebsten ist, soll er zuvor noch einmal wiedersehen.« Sie spie auf den Knochen und sogleich lagen da alle Knochen von Madrus Körper.
»Und was schenkst du ihm, Elster, ehe wir ihn nun wieder aufwecken?« fragte der Dachs.
»Ich schenke ihm einen Blick«, zwitscherte der Vogel, »der die Frauen veranlaßt, sich in ihn zu verlieben und die Männer für ihn einnimmt. «
Und als die Elster dies gezwitschert hatte, waren alle Haut, alle Muskeln und alles Haar wieder auf den Knochen.
»Ich schenke seinem Herzen Mut«, sprach der Dachs, »aber in seine Seele lege ich die Verpflichtung, den Großen Wald nicht zu vergessen ... was er bedeutet, für uns Tiere und für die Geschöpfe, die nach uns kamen in diese Welt … die Menschen.«
»Also wecken wir ihn auf«, sagte die Kröte.
»Wartet noch«, sagte die Elster, »habt ihr vergessen, daß er sich selbst ein Viertes wünschen darf, solange er träumt, und daß wir es erfüllen müssen, was immer es auch sein mag?«
»Tatsächlich, das hätten wir beinahe vergessen«, sagte der Dachs erschrocken.
Aus dem Rauch sah der Junge auf sie und auf seinen Körper hinab, der ohne Bewußtsein war. Er überlegte, was er sich wünschen solle. Lange dachte er nach, und die Tiere warteten geduldig. Er dachte an dieses und jenes, aber wenn er es abwog gegen anderes, schien es ihm wieder nicht so wichtig.
»Es ist schwierig«, sagte er nach einer Weile aus seinem Traum, »ich weiß jetzt wohl, was es ist. Aber es fehlen mir die rechten Worte, es auszudrücken.«
»Versuch es nur«, sagte der Dachs, »so ins Unreine.«
»Ich will wissen, wie die Menschen leben müssen, damit sie glücklich werden.«
»Welch ein bescheidener junger Mann«, sagte die Kröte spitz.
»Es ist sein Wunsch … wie immer er lautet, wir müssen ihn erfüllen«, erinnerte sie der Dachs.
»Ich hatte schon immer eine Schwäche für Philosophie«, zwitscherte die Elster.
»Es ist nichts mehr dazu zu sagen«, erklärte der Dachs, »es ist sein Wunsch, nicht eurer. Fort jetzt, ich wecke ihn auf.«
Madru spürte, wie etwas Feuchtes sein Gesicht berührte. Er hielt es für die Schnauze des Dachses. Vielleicht jenes Dachses, den er vorhin am Rand des Lichtkreises beobachtet hatte, überlegte er. Er schlug die Augen auf und sah vor sich den Steinkreis. Ihm gegenüber saß Ase. Es schien schon Tag zu sein, denn es war jetzt viel heller und zwischen den Steinen lag rauchende Asche.
»Ich muß eingeschlafen sein für einen Augenblick«, stellte er fest. »Für einen Augenblick ist gut«, sagte Ase, »es ist unterdessen heller Tag geworden.«
»Ich hatte einen merkwürdigen Traum«, meinte Madru, und er erzählte Ase, was er gesehen hatte und was mit ihm geschehen war. Nur an die Geschenke und an seinen Wunsch vermochte er sich nicht zu erinnern, wie sehr er sich auch anstrengte.
Der Alte hörte ihm aufmerksam zu und fragte dann: »Und was hältst du von alledem?«
»Es wird wohl eine Bedeutung haben«, sagte der Junge, »aber noch begreife ich sie nicht.«
»Wirklich nicht?«
Madru schüttelte den Kopf.
»Nun«, sagte Ase, »nachdem du gestern dem Tod begegnet bist und die Geister von rastlosen Toten uns nachgejagt sind, habe ich deine Schutzgeister herbeigerufen, damit sie dich stärken. Wenn du je wieder einmal in große Gefahr gerätst oder vor einer Aufgabe stehst, die du aus eigener Kraft unmöglich bewältigen kannst, tust du gut daran, nach einer Kröte, einer Elster und einem Dachs Ausschau zu halten.«
»Und der Bär?« fragte Madru.
»Das ist der Schatten, der Feind, den jeder von uns in sich trägt.« Bald danach brachen sie auf. Bevor sie wieder zum Wipfelpfad hinaufstiegen,
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