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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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berührte Ase mit dem Bogen seiner Fiedel den Waldboden. Auf der Stelle waren der Steinkreis und das Häuflein Asche darin verschwunden.
    »Und die beiden Hütten?« fragte Madru, dem es schien, als habe Ase etwas vergessen.
    Der Alte lachte. Die stünden immer hier, erwiderte er, für Wanderer, die ein Saunabad nötig hätten nach einem langen Weg oder für die jungen Männer, die in die Einsamkeit gingen, um ihre Steinaxt zu fertigen. Was es denn nun damit wieder auf sich habe, wollte Madru wissen, aber Ase meinte, darüber werde er noch genaueres erfahren, wenn es für ihn Zeit dazu sei. Gegen Abend des zweiten Tages ihrer Wanderung in der Höhe stiegen sie abermals vom Wipfelpfad herab. Hier endete der Bannwald. Noch von oben hatte Madru ein Flußtal mit Wiesen erkannt.
    Auf einer großen Rodung standen so viele Hütten, wie er sie nie zuvor auf einem Fleck beisammen gesehen hatte. Sie wurden alle überragt von einer Halle, die so groß war, als habe man drei Hütten übereinandergestellt,und aus ihrem Dach wuchsen zwei Bäume hervor.
    »Dort«, sagte Ase und deutete mit der Hand in diese Richtung, »das ist die Halle des Fürsten.«
     

SECHSTES KAPITEL
    Madru sieht in einem Rauchloch zwei Augen, verliebt sich in das Mädchen Alissa und verspricht ihr den ersten Tanz

    Ohne sich im geringsten um neugierige Blicke, ehrfürchtig klingende Grüße und geflüsterte Worte der Leute zu kümmern, denen sie begegneten, lief Ase eilig und in sich gekehrt, immer einen halben Schritt vor Madru, durch die Gassen der Fürstensiedlung, die aus etwa dreihundert mit Schilf gedeckten Blockhäusern bestand.
    Es gab Gebäude, vor denen an hohem Pfosten ein bunt bemaltes Schild hing. Manchmal war darauf ein Baum oder eine Eule oder auch ein Sternbild zu sehen. Madru wäre am liebsten stehengeblieben, um diese Schilder genauer zu betrachten. Doch Ase schüttelte jedesmal den Kopf und drängte, weiterzugehen. Auch an Werkstätten kamen sie vorüber, in denen Schmiede, Wagenmacher, Bootsbauer, Weber und Färber ihren Gewerben nachgingen.
    Manche Haustore standen weit auf, und Madru konnte im Vorübergehen das hölzerne Gerippe eines großen Flußbootes sehen oder einen Mann, der an einem Webstuhl saß. Der Ort schien geschäftig, die Menschen arbeitsam und selbstbewußt. Ihre Kleidung zeugte von Wohlstand.
    Bei dem Weg, den Ase einschlug, schien er darauf bedacht, die Nähe der Großen Halle und des Fürstenhofes zu meiden. Diese Gebäude samt dem »Haus der Lehren« lagen auf einem langgestreckten Hügel inmitten der übrigen Häuser, die verglichen mit ihnen klein und beengt wirkten.
    Dort, wo gegen Nordwesten hin der Ort auslief und auf einer neuen Rodung mit Palisaden umgebene einzelne Gehöfte standen, blieb Ase vor einer Hütte am Waldrand stehen, die eine ungewöhnliche Form hatte. Sie war achteckig und erinnerte durch das kegelförmige Dach aus ungeschälten Fichten, in dessen Mitte ein großes Rauchloch freigelassen war, an ein hölzernes Zelt.
    »Hier trennen sich unsere Wege für eine Weile«, sagte Ase an der Tür, »vom Sternensohn erwartet man, daß er die letzten beiden Tage und Nächte vor dem Fest der Einsetzung in Stille und Abgeschiedenheit zubringt. Du darfst mit niemandem sprechen. Du darfst keine Speisen zu dir nehmen. Einen Krug Wasser wirst du drinnen finden. Feuerholz liegt auch bereit. Aber selbst darfst du das Feuer nicht entzünden. Lege dich auf das Lager aus Fellen und warte, bis die Druiden dich holen kommen. Merk dir, was du träumst. Die Druiden werden dich danach fragen. Fällt deine Antwort günstig aus, so werden vor dem Fest Fleisch, Getreide und Felle an die Freisassen verschenkt werden. Bei einer ungünstigen Antwort aber würde eine lange und mühsame Suche danach beginnen, was den Großen Wald erzürnt hat.«
    »Könntet Ihr mir nicht wenigstens noch ein paar Hinweise geben, was als günstige und was als ungünstige Antwort gilt?«
    »Was du wissen mußt, weißt du«, erwiderte Ase.
    Er legte beide Handflächen auf Madrus Gesicht und schrieb mit dem Zeigefinger dann rasch ein Zeichen in die Luft. Ein Segenszeichen wohl. Dann wandte er sich um und war im nächsten Augenblick wie durch Zauber verschwunden.
    In der Hütte war es ziemlich düster. Madru fand alles so, wie es Ase ihm beschrieben hatte: einen Stoß Feuerholz auf einem Steinherd unter dem Rauchloch, einen Krug mit Wasser und in der Ostecke der Hütte ein weiches Felllager, auf das er sich mit einem Laut des Behagens fallen

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