Madru
Pfeifengras; Haselnußgebüsche standen an den trockeneren Stellen. Der Boden war mit einem Teppich von Blaubeerkraut bedeckt.
Es gab noch die große Hütte mit dem Feuerquirl und das Schwitzhaus, auch die Feuerstelle, an der sich damals die Reinigung von den Ausdünstungen der toten Seelen abgespielt hatte. Von der Wohnhütte sah man auf den kleinen See.
Auf einem Strand mit großen grauen und rötlichen Kieseln, die glänzten, wenn das anlaufende Wasser über sie hingeleckt hatte und die Sonne darauf schien, lag ein Ruderboot. Netze und Angeln waren vorhanden, Fallen, Spaten, Beil und Hammer, eine Zange, ein Jagdbogen, ein Wurfspieß und ein hölzerner Eimer.
Brennholz gab es mit den morschen Ästen, die die Frühlingsstürme abgerissen hatten, in Hülle und Fülle. Eine klare Quelle sprudelte nahe der Hütte.
Drei Säckchen holte Ase aus dem Rucksack. In dem einen waren getrocknete Früchte, Apfel- und Birnenschnitze, Pflaumen und süße Beeren, im zweiten luftgedörrtes, in Streifen geschnittenes Fleisch, in dem dritten Mehl, um Fladen zu backen. Wenn diese Vorräte nach der Fastenzeit aufgezehrt waren, würde sich Madru selbst versorgen müssen. »Der Wald schenkt alles. Man muß nur suchen«, hieß der Satz, der ihm aus einer der ersten Lektionen bei Ase wohlbekannt war.
Ase wünschte ihm zum Abschied guten Mut und erklärte ihm, wenn er die ersten zwei, drei Tage überstanden habe, liege der unangenehmste Teil des Unternehmens hinter ihm. In neunzig Tagen komme er ihn wieder abholen und wünsche sich, ihn dann gesund und um viele Erfahrungen reicher hier wieder anzutreffen. Darauf ging er nach Nordosten davon.
Madru lief ihm nach und holte ihn ein, gerade noch ehe er den Baum mit den Steigästen erreicht hatte. Was es denn so Wichtiges gebe, fragte Ase unwirsch.
»Vergiß nicht, Alissa zu sagen, daß ich sie liebe.«
»Ist das alles?« fragte Ase sichtlich erbost, und als Madru nickte, meinte er brummend: »Kälberliebe!« Dann ging er auf den großen Baum zu und begann rasch in den Ästen aufwärts zu steigen. In den ersten Tagen fühlte sich Madru unglücklich. Er ertrug die Einsamkeit schlecht. Erinnerungen, die ihm Angst machten, stiegen in ihm auf, bedrängten ihn. Es war ihm später, als hätten die täglichen Saunabäder entscheidend mit dazu beigetragen, daß er danach ruhiger wurde, sich seine Stimmung besserte.
Dann begann eine Periode des Wohlbefindens, die er dazu nutzte, die Steinaxt herzustellen. Er hob dazu eine Grube aus, legte um einen unregelmäßig geformten Felsbrocken lange Birkenscheite. Er deckte die Grube mit einer Lehmschicht ab, jedoch so, daß weiterhin genügend frische Luft zugeführt wurde, um das dort entzündete Feuer am Brennen zu halten. Bei den hohen Temperaturen in dem brennofenähnlichen Behältnis bekam der Stein an manchen Stellen Sprünge, ja, es lösten sich manchmal schon beim Brennen flache Splitter mit scharfen Randflächen. Aus ihnen suchte man einen heraus und formte aus ihm durch Nachschleifen und Schmirgeln die Schneide. Für die Befestigung des geschliffenen Steinblattes am Schaft mußte ein bestimmter Baum gesucht werden, dessen bastartige Rinde allein dazu geeignet war. Endlich kam der Tag, an dem Madrus Axt fertig war und es sich erweisen mußte, ob sie tatsächlich als Werkzeug brauchbar war. Madru hatte sich nie so recht vorstellen können, was die Leute meinten, wenn sie erzählten, ein Baum habe danach gerufen, gefällt zu werden. Jetzt stellte er fest, daß jeder Baum, wenn der Wind weht, einen bestimmten Ton von sich gibt, aus dem sich mit einer gewissen Übung heraushören läßt, ob der Baum krank oder gesund ist. Er überlegte sich, daß diese merkwürdige Redewendung vielleicht nur sagen wolle, es gehe darum, einen kranken Baum zu fällen, die Übung aber den Zweck habe, die Sinne zu schärfen.
Er fällte den Baum und zerteilte ihn in neun Scheite, ein jeder so lang wie der ausgestreckte Arm. Er stellte sie auf ein Gestell zum Trocknen. Sie würden von dem nächsten jungen Mann, der seine Zeit in der Wildnis am Ängratörn verbrachte, als Brand für seine Grube benutzt werden.
Ein paar Späne hob er auch als Glücksbringer auf, und als all diese Arbeiten getan waren, beendete er sein Fasten und bereitete am Abend jenes Tages aus dem Inhalt des Säckchens sich eine Mahlzeit, die ihm so gut schmeckte, wie lange schon nichts mehr. Da seine Vorräte trotz größter Sparsamkeit bald aufgebraucht waren, lernte er dann durch Fischen,
Weitere Kostenlose Bücher