Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon
genommen war, war der Text sofort vergessen. Wenn Oves Kinder nach einem Theaterstück oder einer Filmrolle fragten, konnte er sich an seinen Text nicht mehr erinnern. Man würde zum Beispiel keine zwei zusammenhängenden Sätze aus »American Buffalo« mehr von ihm hören können, erzählte Ove den Journalisten: »Ich habe von der Rolle keine Ahnung mehr. Selbst beim ›Zur Neujahrszeit in Nøddebo‹ konnte ich erst nach zehn Jahren sagen: Nun ist ja gut, nun brauchst du das nicht noch mal durchzulesen.«
Zwar war Ove jemand, der für die Kaffeepausen Kuchen mitbrachte, doch auch das aufbrausende Temperament des kleinen, lebhaften Schauspielers war in den Theaterkreisen legendär. Das schlug ein wie ein Blitz, donnerte eine Weile und zog vorüber. Nachtragend war er nicht. »Wenn ich mit Ungerechtigkeiten konfrontiert werde, brennt bei mir die Sicherung durch. Das passiert einfach, ich kann das nicht kontrollieren, und danach bin ich immer todmüde.« Ärgerlich wurde er auch, wenn auf der Bühne die Zeit mit Dingen vergeudet wurde, die nichts mit der Arbeit zu tun hatten. Wenn sich Kollegen bei den Proben zum Beispiel privat unterhielten oder ganz offensichtlich nicht ihr Bestes gaben. Ove wollte die Menschen verstehen und ging sehr weit in diesem Bemühen. Deshalb war er auch in der Lage, über lange Zeit Dinge zu tolerieren, die vielleicht ungerecht waren. Aber wenn er dann genug hatte, explodierte er. Das kam Per Pallesen bei den Proben zu »Im Weißen Rössl« zugute: »Ich spielte den Sigismund und hatte gelernt, mit einem Stock zu jonglieren. Es gelang mir sogar, ihn in die Luft hochzuwerfen und auf dem Rücken wieder aufzufangen, während ich sang. Das war toll. Irgendwann hat Niels Hinrichsen auf einmal die Idee, dass er seinen Stock mit einem Kugellager an einem Ring am Finger kreisen lassen kann. Er ist aber zehn Seiten vor mir im Manuskript dran. Wochenlang hatte ich geübt, damit ich ohne Hilfsmittel auskam. Ove fuhr dazwischen und sagte zu Hinrichsen: ›Per hat so lange geübt, und dann kommst du einfach und klaust ihm seinen ganzen Effekt. Das kannst du nicht machen, Niels, du solltest dich schämen, du wirst das gefälligst bleiben lassen, hörst du!‹ Wenn Ove erst mal auf 180 war, gab es kein Pardon.«
Für Morten Grunwald war Ove ein Vulkan: »Ove wirkt wie eine gemütlich schmauchende Mittagszigarre, doch in seinem Untergrund ist glühend heiße Lava. Er ist ein Vulkan. Und wehe, der bricht aus! Er ist wie eine Steinschleuder, nein, wie ein Maschinengewehr, wenn man das Falsche sagt und damit seine Unsicherheit bei den Proben verstärkt. In den bald zwanzig Jahren, die wir zusammengearbeitet haben, habe ich zweimal erlebt, wie Ove ausrastete, da heißt es, in Deckung gehen für die Zeit, die es dauert.«
Der gute Kollege
Ove kämpfte sich mit beachtlicher Ausdauer und Geduld an die Spitze von Theater und Film in Dänemark. Ove wurde ein Star, weil er eine besondere Begabung hatte und hart dafür arbeitete. Und er stellte seinen Wert wieder und wieder unter Beweis. Er zeigte es allen Skeptikern. Und das schon, bevor er als Egon in der Olsenbande in vollster Blüte stand. Er war der fleißigste Schauspieler, den Dänemark jemals hatte, und einer der vielseitigsten. Dass er dabei auch immer noch für seine Mitmenschen da war, macht seinen Rang nicht weniger bemerkenswert. »Für mich ist Ove ein Beispiel für einen anständigen Menschen«, sagt Kirsten Lehfeldt. »Offen, ehrlich und geradeheraus. Einer, der sich so zu anderen verhält, wie er es sich selbst von ihnen wünscht.«
Regisseur Kaspar Rostrup vermisst heute im dänischen Theater Ove Sprogøes schauspielerische Begabung und sein menschliches Format: »War Ove in einer Produktion dabei, wurde sie einfach gut. Ove war Gold wert, weil er dem ganzen Team Konzentration, Spannung und Disziplin verlieh. Auf der einen Seite hatte man Respekt und Ehrfurcht vor ihm, andererseits war er ja der beste Freund aller und ein lustiger Geselle. Und beruflich war er top.«
Auf der Bühne hielt Ove die Zügel straff, damit die Zuschauer bekamen, was ihnen versprochen worden war. Das war für ihn eine einfache Rechnung: »Wir sind wahnsinnig abhängig voneinander. Wenn ich meinen Gegenpart ärgern wollte, bräuchte ich nur drei oder vier Stichworte auszulassen, und dann würde ihm seine Darbietung um die Ohren fliegen. Das ist eine Riesenmacht, die wir haben, aber auch eine Riesenabhängigkeit.«
Jeder sollte sein Bestes geben, aber den anderen nicht
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