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Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Titel: Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacob Wendt Jensen , Deutsch von Janine Strahl-Oesterreich
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herumzuspielen«.
    Mit den Jahren erreichte Ove am Theater eine Routine wie nur wenige dänische Schauspieler. Dies erlaubte ihm, immer mit einem Ohr beim Publikum zu sein. Die Zuschauer spielen mit, der Schauspieler darf nicht auf sie herabsehen. Das war seine Devise. An ihrem Atem konnte er hören, ob sie bei ihm waren oder nicht.
    Auch auf den schlechtesten Plätzen sollten die Zuschauer alles verstehen können. Ove konnte auf der Bühne stehen und gleichzeitig Kontrolle darüber haben, was im Saal passierte. Søren Østergaard hat das mit ihm erlebt: »Als Robespierre in Dantons Tod hatte Ove ein paar lange Monologe. Es war ein ernstes Stück, aber die Leute raschelten mit ihren Bonbontüten. Da war Ove so souverän, dass er mittendrin aufhörte, in die Richtung guckte, aus der der Lärm kam, und schon wurde es ganz still. Danach machte er im Text weiter, als ob nichts passiert wäre. So etwas kann nur ein großer Meister.« Für Ove war es ganz in Ordnung, eine kleine Pause zu machen, wenn etwa einer im Saal laut nieste. Ansonsten hätten die Leute sowieso dagesessen und darüber Witze gemacht, dass die Schauspieler so tun mussten als ob.
    Dafür liebte er es aber, die Kollegen bei einer Vorstellung zum Lachen zu bringen. Hanne Uldal war dabei, als sie das Spiel spielten: Wer spricht kurz vor dem Auftritt als Letzter in der Gasse? »Ich war die junge Schauspielerin, er der alte Hase. Er machte also seine Späßchen. Man muss sich vorstellen, wir stehen da in der Gasse, kurz bevor wir auf die Bühne müssen, da ist es doch klar, dass man aufhört zu reden. Diese Grenze hat Ove gern mal verschoben, indem er schnell noch etwas sagte oder einen Witz machte, um dann sofort loszugehen. Ich denke, so hat er sein Werkzeug geschärft, und außerdem zeugte das von seinem fabelhaften Überblick.«
    Obwohl Ove Überblick und Routine hatte, konnte er sich doch nie von einer gewissen Aufregung befreien, bevor er auf die Bühne ging. An einem Dienstag können die Leute im Saal flachliegen vor Lachen, an einem Donnerstag ist es wie tot. Eine einzelne Lachtaube kann einen ganzen Saal anstecken. Ein Schauspielerensemble, das sich auf seine Routine verlässt, verrät sein Publikum, und dann beißt es auch nicht mehr an. Jeder Abend ist neu und ohne Garantie. »Man ist immer nervös. Man ist ständig in Angst, dass man da oben Schwachsinn erzählt. Hoffentlich kann man die Aufregung in Adrenalin verwandeln, damit man noch Besseres leistet. Aufregung muss sein. Wenn ein Künstler nicht ununterbrochen in Zweifel gerät, er nicht ununterbrochen Angst hat und imstande ist, diese Angst zu überwinden, dann wird es Routine – und sterbenslangweilig. Ich hatte die ganze Zeit Angst«, gestand Ove Sprogøe einmal.
    Doch wenn das Stichwort fiel, war er bereit. Und haperte es ausnahmsweise einmal mit dem Text, hatte er eine Technik, einfach ganz viel zu reden, bis irgendwas dabei war, das zu dem passte, was die Mitspieler danach zu sagen hatten. Das ist eine vertraute Methode, wenn man jung ist oder in mittleren Jahren, doch im Alter kann es für einen Schauspieler schwer sein.
    »Ich habe nicht den ganzen Text für eine Rolle im Kopf. Die Sätze kommen nach und nach, die einzelnen Situationen bringen sie hervor, und dabei helfen Stichworte gewaltig. Wenn ein Stuhl zum Beispiel nicht an seinem gewohnten Platz steht, kann es einen Schauspieler völlig aus dem Konzept bringen. Eine große Rolle kann man mit einem Regal vergleichen, aus dem man nacheinander die Gewürze nimmt, die man braucht.«
    Die Aufregung ist ein Teil des Berufs. Das wissen Schauspieler. Bei Ove führte sie jedoch nie zu einer Lähmung wie bei einigen seiner Kollegen, etwa Kjeld Petersen. »Als ich mit Kjeld Petersen ›Oscar‹ spielte, erlebte ich etwas anderes mit der Aufregung. Er hatte sehr hohe Ansprüche an sich selbst, und daran verbrannte er. Eines Tages wollte er plötzlich nicht mehr weiterspielen. Wir versuchten ihn zu überreden, und er willigte ein, aber nur, wenn ich seine Hand nähme, weil er jemanden haben wollte, auf den er sich stützen konnte. Das tat ich dann auch. Und dann wurde ich auf der Bühne doch tatsächlich herumgeschleudert, mit einer Kraft, die aus einer anderen Welt zu kommen schien. Es war ganz wunderbar, als erst mal sein Adrenalin in Fahrt gekommen war. Aber es war auch irgendwie unheimlich, denn ich musste ihm folgen und mir ja gleichzeitig meinen Text merken.«
    Wenn die Aufregung vorbei, das Stück abgespielt und aus dem Repertoire

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