Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon
einer Probe, einer Filmaufnahme oder einer Vorstellung in Fahrt zu kommen. Der klang wie eine Mischung aus der Cartoon-Figur Woody Woodpecker und Tarzan, gefolgt von der Operettenzeile »Ich bin nur ein armer Wandergesell«. Womit Ove vielleicht darauf aufmerksam machen wollte, dass er als Schauspieler eine Art Tagelöhner war. Jedenfalls war es schwer, von einem Mann mit diesem Schwung nicht mitgerissen zu werden. »Ich bin einfach albern, auch wenn ich vielleicht tief im Innern ein ernster Mensch bin. Aber es fällt leichter, wenn man sich öffnet und die Dinge nicht so tragisch nimmt.«
Einmal versuchte sich Ove Sprogøe an einer Selbstbeschreibung: »Meine Lebenseinstellung ist, dass ich gut sein möchte. Also nicht dieses oberflächliche Nettsein ein. ›Mitmenschlich‹ klingt hochtrabend – das hatte was von Jesus. Wenn die Kollegen einen nett nennen, heißt das, dass man das Zusammenspiel respektiert, sich füreinander öffnet und einander vertraut. Man hat die Pflicht, sich für die Probleme des anderen zu interessieren.«
Manch einer erinnert sich, wie dieser nette Ove Sprogøe von einem Kollegen zum anderen ging und mit dezent fünischem Dialekt fragte: »Geht es dir gut?« Das war fast wie ein Mantra.
Sonja Oppenhagen erinnert sich, wie Ove eines Abends auf der Bühne eine junge Kollegin rettete, die vom Abend vorher noch nicht ausgenüchtert war. »Gleich zu Beginn hatte sie einen Monolog, doch mittendrin fällt sie in Ohnmacht. Geistesgegenwärtig greift Ove nach mir, zieht mich auf die Bühne und sagt zu der Bewusstlosen: ›Aber das ist ja entsetzlich, Pernille, ich scheuche dich den ganzen Tag herum, du hattest so viel zu tun! Komm, Leonora, hilf mir, Pernille ins Bett zu bringen!‹ Die Technik konnte nicht sehen, was passiert war, aber Ove war sofort zur Stelle und hilft ihr raus, ohne dass sie sich schämen muss. Danach fiel der Vorhang, und wir sagten dem Publikum, dass sie krank war. Er versuchte, sowohl das Stück als auch die Kollegin zu retten. Das war groß.«
Michael Falch war ein etablierter Rockmusiker, als er 1986 mit Ove in »Mord in der Dunkelheit« zusammenarbeitete. Als Schauspieler hatte er vorher nur eine kleine Rolle gehabt, und nun auf einmal hatte er die Hauptrolle in einem der meist erwarteten Filme des Jahres. Falch freute sich auf Ove, und der schaffte sofort eine gleichberechtigte Atmosphäre, auch wenn die Konstellation denkbar ungleich war. Der Anfänger trifft die lebende Legende. Umso wichtiger war es für Falch, dass er sich neben ihm gleichwertig fühlen konnte: »In einer wichtigen Szene erschlägt Ove am Ende einen Drogendealer. Das passierte aus einer sozialen Entrüstung heraus, die viel mit ihm selbst zu tun hatte. Die Szene in der Villa war besonders sensibel, und zum ersten Mal dachte ich bei mir, dass ich meine Rolle einigermaßen unter Kontrolle hatte. Nachher sagte Ove: ›Dafür bekommst du einen Bodil, mein Junge.‹ Das war ungeheuer großzügig, einem anderen in so einer Situation den Platz zu überlassen. Im nächsten Jahr gewann ich tatsächlich den Bodil, und statt ihm von der Bühne herunter zu danken, dachte ich nur an seine Worte während der Dreharbeiten. Mehr gab mein Ego nicht her.«
Vor dem Film war Falch überzeugt gewesen, dass sich Improvisationen aus Anarchie und Rock’n’Roll ergäben. Während der Aufnahmen lernte er, dass es nur Sinn hatte zu improvisieren, wenn man seinen Stoff bis in die Fingerspitzen beherrschte. Und auch von Oves menschlicher Seite lernte Falch: »Er hatte die ganze Zeit eine große Menschlichkeit an sich. Es ging ihm nie etwas über die Begegnung mit dem einzelnen Menschen, und gerade da muss sich ja unsere Mitmenschlichkeit bewähren. In dieser Beziehung war er einzigartig. Man darf nicht vergessen, dass es sehr schwer sein kann, in der Welt des Films und der Rockmusik seine Würde zu bewahren, weil man dort mit harten Bandagen um seine Plätze kämpft. Ove erhob sich nie über seine Mitmenschen, obgleich gerade er alles Recht gehabt hätte. Das war wohl auch sein gesellschaftsphilosophischer Standpunkt als Mensch.«
Nur sein Verhalten gegenüber einem Kollegen bereute Ove auf seine alten Tage.
Als Stig Lommer 1960 mit Kjeld Petersen ein neues Stück inszenieren wollte, tauchte der zu den Proben nicht auf. Die Kollegen warteten und bangten um ihren Job. Als Petersen immer noch nicht kam, schrieben sie in einem Beschwerdebrief an Stig Lommer: »Sein Verhalten ist unkameradschaftlich, unanständig und
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