Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon
Der Raum wird eins. Das hab ich noch nie erlebt. Ich kann nämlich nicht so einfach sagen: So, jetzt singen wir mal alle zusammen! Das traue ich mich nicht.«
Sprogøe, dem es sonst um intellektuelle Theaterstücke zu tun war, hatte große Achtung vor dem leichten Fach. Er bezeichnete es als eine Art Sauerstoffkur für das Gemüt der Leute: »Ich bin es leid, die Angriffe von Linken zu hören, dass damit die Leute eingelullt und belogen werden würden, weil ›die Welt ja nicht so sei‹. Die meisten Menschen haben das Bedürfnis, etwas zu erleben, was sie über die Sorgen des Alltags hinaushebt. Ich kann keine Prostitution darin sehen, etwas zu machen, was die Leute in gute Laune versetzt.«
Nach dem zweijährigen Engagement im Palmengarten trennten sich Stig Lommers und Ove Sprogøes Wege endgültig. Lommer arbeitete bis zu seinem Tod 1976 als Kabarettist in einem Fischrestaurant in Skagen. Als er in Kopenhagen begraben werden sollte, war Sprogøe mitten in Filmaufnahmen. Balling ging mit Freistellungen nicht verschwenderisch um, nicht einmal bei Beerdigungen. Trotzdem huschten Morten Grunwald und Ove Sprogøe in ihrer Mittagspause schnell zum Friedhof, um diesem schlagfertigen, großen Theatermann Lebewohl zu sagen. Die Beisetzung war vorbei, aber die Blumen lagen noch am Grab. Davor standen Egon Olsen und Benny. Sie hatten keine Zeit gehabt, ihre Garderobe zu wechseln. Zehn Minuten später rief wieder die Pflicht.
Ove stürzte sich auch in etliche Plattenprojekte. Aus seiner Zeit mit Dirch Passer waren viele Lieder, die sie in den Filmkomödien sangen, auf Platte erschienen und Hits geworden. Ove Sprogøe sang aber auch neue dänische Titel wie von Gunnar Geertsen auf der LP »Den danske viking« (Der dänische Wikinger). Seine einzige »seriöse« LP , wie er sagte, hieß »Det er så sundt« (Das ist so gesund). Darauf trägt Ove zur Musik von Holger Laumann Gedichte von Hans Scherfig vor.
Auf dem Weg zum Schauspieler und Schaupiellehrer war Henning Sprogøe bei vielen alternativen und experimentellen Projekten dabei und nahm oft seinen Vater dorthin mit. 1980 spielte Hennings Band Return to Sender einmal im »Saltlageret« (Salzlager) bei einer politischen Protestaktion, bei der es um die Zukunft Dänemarks unter der bürgerlichen Regierung von Poul Schlüter ging. Mittendrin trat Ove Sprogøe auf und las die dänische Übersetzung von Jim Morrisons Texten auf der Platte »An American Prayer«.
Das war ein Experiment auf die gute alte analoge Weise, erzählt Henning: »Ich saß mit einem Plattenspieler hinten im Saal und setzte die Nadel in die Rille. Erst kam etwas Musik, und wenn Jim Morrison sprach, blendete ich langsam aus, und Ove begann zu lesen, und sein Tempo musste stimmen, damit ich hochziehen konnte, wenn die Musik wieder kam, und runter, wenn das Publikum Ove statt Jim Morrison hören sollte. Ove stand auf die Musik und hat den Text gemeinsam mit meiner Mutter bestimmt hundert Mal mit einem Tonbandgerät geübt, bis das Timing stimmte.«
Fast 300 Gäste waren da, unter ihnen Erik Balling und andere Mitarbeiter von Nordisk Film, für die Ove und Henning gerade zu tun hatten: »Ich hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass der Plattenspieler und ich auf einem Podium aus fünf bis sechs Holzpaletten standen. Wenn die Nadel nur einmal über die Platte gesprungen wäre, wäre die ganze Sache im Eimer gewesen. Wir machten eine halbe Stunde. Zum Glück klappte das alles richtig gut, und die Leute waren begeistert. Da war der Alte einfach eiskalt und zog sein Ding durch. Für mich war das der Höhepunkt des Abends.«
Noch schräger war Hennings Aktion »Ove Sprogøe liest Harald Herdal« im Keller des Szene-Cafés Krasnapolsky. Das war ein Mittelding zwischen Installationskunst und Happening und für Henning eine späte Rache: »Ich hatte keine Lust mehr, ständig belehrt zu werden, dass ich diesen oder jenen Text lesen und dass der so und so verstanden werden müsse. Ich fand es als Kind manchmal ziemlich anstrengend, wenn mein Vater vorlas. Es war, als ob wir unbedingt lernen sollten, still zu sitzen und zuzuhören, und ich langweilte mich. Deshalb wollte ich meine Rache. Nun sollte er mal vorlesen, und niemand wäre da, der ihm zuhören wollte, ha! Ich suchte einige Gedichte von Harald Herdahl heraus und bat meinen Vater, sie pantomimisch vorzutragen. Das wollte er nicht. Stattdessen setzte er durch, dass er sie ganz leise lesen dürfe. Fast nur murmeln. Die Idee war, dass alles Mögliche im
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