Maechtig, mutig und genial
Argerich, die den Vornamen von ihrem Vater und den Nachnamen der Mutter erhielt. Martha blieb in Genf wohnen, gönnte sich erstmals eine Babypause und spielte 1977 mit Kovacevich ihre erste und einzige gemeinsame Platte ein. Kurz darauf beendete der Vater ihrer dritten Tochter die Beziehung, was Martha in tiefe Verzweiflung stürzte.
Danach hatte sie erst mal genug von den Männern, bis sie 1983 Michel Béroff kennenlernte, der ebenfalls Pianist war und zehn Jahre jünger als sie. Diese Liaison ging in die Brüche, da sich der junge Künstler von ihr ausgesaugt und verunsichert fühlte, so dass er nicht mehr spielen konnte. Beim Nächsten war es genau umgekehrt: Alexandre Rabinovitch, ein aus der UdSSR geflüchteter Pianist, Komponist und Dirigent, nutzteihre Berühmtheit für seine Karriere, fühlte sich ihr aber mindestens ebenbürtig. Viele ihrer Freunde und die Mutter sahen das anders.
Die Mutter blieb bis zu ihrem Tod im Jahr 1989 eine wichtige Figur im Leben der Künstlerin, auch wenn ihre bestimmende Art immer wieder zu Konflikten zwischen beiden führte. Kurz nach dem Tod der Mutter siedelte die Pianistin von Genf nach Brüssel um. Der Umzug sollte etwas mehr Ruhe in ihr Leben bringen, denn die Wohnung in Genf mit dem ständigen Kommen und Gehen von Künstlern und Freunden war zu einem regelrechten Taubenschlag geworden. Martha, die lange Zeit ständig jemanden um sich haben musste, mit dem sie reden konnte, selbst wenn sie übte, entwickelte allmählich ein Bedürfnis nach Ruhe und Ungestörtheit, dem sie nun mehr Raum geben wollte. Doch auch ihr Haus in Brüssel war stets offen, vor allem für junge Künstler, und bot bald auch keine Abgeschiedenheit mehr. Marthas Ausweg bestand darin, sich ein weiteres Domizil in Paris zuzulegen, in unmittelbarer Nähe ihres langjährigen Freundes, des brasilianischen Pianisten Nelson Freire.
Musikalisch ging ihre Karriere weiter steil bergauf, Tourneen durch Europa, die USA, Russland und Japan mehrten ihren Ruhm und brachten sie mit anderen Kulturen in Kontakt. Zu der Faszination für Russland in den frühen Jahren gesellte sich eine besondere Liebe zu Japan, wo sie 1995 ein eigenes Festival ins Leben rief. Das Festival im japanischen Beppu war nicht nur der Beginn einer Reihe von Festivals, die sich mit dem Namen Martha Argerich verbinden, sondern zeigt auch ihr soziales Engagement. Die Einnahmen fließen in eine Stiftung für soziale Zwecke, vor allem für die Unterstützung von notleidenden Kindern und Jugendlichen. Auf der Höhe der argentinischen Wirtschaftskrise im Jahr 2001 flossen Mittel aus dieser Stiftung auch in Sozialprojekte in Marthas Heimatland.
Die Künstlerin hatte Argentinien seit der Zeit der Militärdiktatur nicht mehr betreten, ab den 1990er Jahren gab sie jedochwieder Konzerte dort und rief 1999 das
Festival Martha Argerich
ins Leben, das von ihrem Bruder geleitet wurde. Hier erprobte sie auch neue Formen, indem sie ein zwölfstündiges Marathonkonzert organisierte oder aber zusammen mit anderen argentinischen Künstlern im Hangar eines von der Schließung bedrohten Industriebetriebes auftrat. Nach dem Tod ihres Bruders im Jahre 2003 geriet das Festival allerdings ins Schlingern, und als finanzielle Unregelmäßigkeiten offenkundig wurden, stellte Martha es 2005 ein. Dafür nahm sie im selben Jahr an der Japantournee des Simón-Bolívar-Jugendorchesters teil. Dieses Orchester basiert auf einem in den 1970er Jahren gegründeten Netzwerk für Musikförderung in Venezuela, das Kindern aus sozial schwachen Familien mit Hilfe von Musik eine neue Perspektive geben soll. In Europa rief sie sodann in Lugano das
Progetto Martha Argerich
ins Leben, dem durch die Beteiligung ihres großen Freundeskreises besonderer Glanz verliehen wird.
Martha Argerich, die immer die Nähe ihrer Freunde und Freundinnen brauchte, hatte seit den 1990er Jahren eine Reihe von Schicksalsschlägen zu verkraften. Nach dem Tod ihrer Mutter 1989 starb 1992 ihre engste Freundin, die vieles in ihrem Leben für sie geregelt hatte, an Krebs, zeitgleich wurde bei ihr selbst Hautkrebs diagnostiziert. Die Operation verlief erfolgreich, doch drei Jahre später kam die Krankheit zurück, und nach einer Japantournee mit Charles Dutoit stellte sich heraus, dass sich in der Lunge Metastasen gebildet hatten. Die Künstlerin ließ sich in Los Angeles behandeln, unterstützt von ihren Töchtern und zahlreichen Weggefährten, die sie dort besuchten. Martha hörte auf zu rauchen – und trat kurz
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