Maechtig, mutig und genial
der Zeitungsverkäufer ernsthaft darüber nach, Evitas Heiligsprechung zu beantragen.
Evitas Leichnam wurde auf ihren eigenen Wunsch hin von einem der besten Spezialisten weltweit einbalsamiert. Bis zur Fertigstellung eines Mausoleums wurde der Leichnam in einer hierzu hergerichteten Kapelle im Gebäude der Gewerkschaftszentrale aufgebahrt. Die Beratungen der Kommission über die Ausgestaltung des Mausoleums zogen sich hin, ebenso wie die Probleme der Regierung Perón. Die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen, aber auch der zunehmende Widerstand von Teilen der Armee und der Kirche führten schließlich im September 1955 zum Sturz Peróns, der sich nach Spanien ins Exil begab. Die Stiftung Eva Perón wurde im darauffolgenden Jahr vom Staat eingestellt, allerdings wurden deren Krankenhäuser, Wohnheime und sonstige Einrichtungen unter staatlicher Verwaltung weitergeführt.
Der Verehrung Evitas durch große Teile des Volkes folgte ihre Verteufelung durch die neuen Machthaber sowie alten Gegner; so trug eine damals erschienene Biographie über Evita den Titel »Die Frau mit der Peitsche«. Der Hass der Sieger auf den Peronismus konzentrierte sich immer stärker auf Evita, und die neuen Machthaber verboten, ihre Bildnisse, die in vielen Häusern einen prominenten Platz gefunden hatten, aufzuhängen. Darüber hinaus stellte sich die Frage, was mit Evitas einbalsamiertem Leichnam geschehen sollte. Man fürchtete, er würde zu einer Wallfahrtsstätte werden, sofern man ihn in der Zentrale der Gewerkschaft ließe. Ihn zu verbrennen jedoch scheute man sich ebenfalls. Die Lösung lag schließlich darin, den Leichnam an geheimer Stelle zu begraben, und so wurde unter größter Geheimhaltung die einbalsamierte Leiche im November 1956 aus der Gewerkschaftszentrale entfernt. Nur wenige Eingeweihte der damaligen Militärmachthaber wussten, wo sie sich befand bzw. wo die Information darüber hinterlegt war. Nur mit Mühe bekam man später heraus, dass Evita unter dem Namen María Maggi in Mailand beerdigt worden war. Sie wurde 1971 exhumiert und zur Identifizierung nach Spanien transportiert, wo sowohl Perón als auch der Arzt,der Evita einbalsamiert hatte, im Exil lebten. Als Perón 1973 erneut zum Präsidenten gewählt wurde, ließ er wenige Zeit später auch Evitas Leichnam zurückholen. In einem Versuch, an die alten Erfolge anzuknüpfen, wurde Peróns dritte Ehefrau Isabel (María Estela, S. 118 ) als Vizepräsidentin nominiert, konnte jedoch in keiner Weise an Evitas Rolle anknüpfen.
Die Militärdiktatur und die anschließende Redemokratisierung ließen die Figur Eva Peróns erst einmal in den Hintergrund treten. Sie verkam zu einer Pop-Ikone eines erfolgreichen Musicals, das mit Madonna in der Hauptrolle verfilmt wurde und bis heute immer noch Publikum anzieht. Mit der historischen Evita hatten beide allerdings nicht viel gemein. Politisch tauchten erst Ende des 20. Jahrhunderts wieder verstärkt Erinnerungen an Evita auf, als mit Cristina Fernández de Kirchner ( S. 158 ) und Néstor Kirchner erneut ein politisches Ehepaar die Bühne betrat. Zwar ist Cristina Kirchner eine andere Persönlichkeit als Eva Perón, und auch das Frauenbild in Argentinien hat sich in den vergangenen Jahrzehnten enorm gewandelt, doch finden sich Züge des »klassischen Peronismus« wie starker Klientelismus, enge Bindung an die Gewerkschaften und Evitas assistentialistische Haltung im »Kirchnerismus« wieder. Und Cristina Fernández de Kirchner präsentiert sich wie Evita als Modepuppe.
Ausgewählte Literatur:
Die nach wie vor beste Biographie: Marysa Navarro:
Evita
. Buenos Aires 1994.
Anlässlich ihres 50. Todestages im Jahr 2002 erschienen auch auf Deutsch eine Reihe von dokumentarisch-romanhaften Lebensgeschichten Evitas, so diejenige von Alicia Dujovne Ortíz:
Evita Perón. Die Biographie
. Berlin 1996, und der relativ gut recherchierte, aber literarisch verfremdete Roman von Tomás Eloy Martínez:
Santa Evita
. Frankfurt am Main 1997. Das mit Madonna und Antonio Banderas 1996 verfilmte Musical
Evita
hingegen basiert weitgehend auf einem zeitgenössischen Buch: Mary Main (d. h. María Flores):
The Woman with the Whip. Eva Perón
(1952). Es greift viele Evita-feindliche Legenden auf bzw. kreiert sie und hat wenig mit der historischen Evita gemein. Historisch zuverlässiger, obwohl auch nicht frei von Legenden, ist der argentinische Film
Eva Perón
von Juan Carlos Desanzo (1996).
LYDIA GUEILER TEJADA
BOLIVIEN, 1921–2011
In Bolivien
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