Maechtig, mutig und genial
der Schuldigen wie in Argentinien oder Chile wird es nicht kommen. Die Militärs hatten bereits 1979 ein Amnestiegesetz erlassen, das Folterern, Mördern und Entführern Straffreiheit zusichert und 2010 vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurde, obwohl der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte es für juristisch nicht bindend erklärt hatte. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass unter der brasilianischen Militärdiktatur 279 Menschen ermordet worden sind. 136 wurden verschleppt und sind bis heute verschwunden. »Die Wahrheit über unsere Vergangenheit ist fundamental, damit solche Dinge, die unsere Geschichte befleckt haben, nie wieder passieren«, erklärte Rousseff anlässlich der Unterzeichnung des Gesetzes. Zu ihrer eigenen Vergangenheit sagte sie einmal, sie sei damals 22 Jahre alt und Brasilien ein anderes Land gewesen.
Dilma Rousseff war 1973 wegen ihrer politischen Aktivitäten von der Universität von Minas Gerais verwiesen worden. So wechselte sie 1974 an die Universität von Rio Grande do Sul und machte dort 1977 ihr Examen in Volkswirtschaft. Politisch übte sie sich während des weiteren Studiums in Enthaltsamkeit.
Nach dem Examen arbeitete sie am
Instituto de Estudos Econômicos e Sociais
(IEPES, dt.: Institut für wirtschaftlicheund soziale Studien) des Staates Rio Grande do Sul und organisierte im Studieninstitut der einzigen legalen Oppositionspartei
Movimento Democrático Brasileiro
(MDB, dt.: Brasilianische Demokratische Bewegung) Diskussionsveranstaltungen, an denen bekannte Wissenschaftler wie der Soziologe und spätere Präsident Fernando Henrique Cardoso (1995–2002) teilnahmen. Mit Cardoso versteht sie sich bis heute sehr gut.
Mitglied des MDB wurde sie nicht, aber gemeinsam mit ihrem Mann beteiligte sie sich am Wahlkampf eines Stadtverordneten der Partei. Nach seiner Wahl wurde dieser jedoch aus dem Amt entfernt, weil er in einer Rede die Folterungen der Militärs erwähnt hatte.
Im November 1977 hieß es in der Tageszeitung
O Estado de São Paulo
, Dilma sei eine von 97 Guerilleros, die als Spione in die Politik eingeschleust worden seien. Sie verlor daraufhin ihre Arbeitsstelle, wurde nach einer Weile jedoch wieder eingestellt.
Als 1979 wieder weitere Parteien erlaubt wurden, halfen sie und ihr Mann zunächst Leonel Brizola beim Wiederaufbau der
Partido Trabalhista Brasileiro
(PTB, dt.: Brasilianische Arbeiterpartei). Als die Großnichte von Parteigründer Getúlio Vargas den Parteinamen für eine eigene Gruppierung in Anspruch nahm, gründeten die drei die
Partido Democrático Trabalhista
(PDT, dt.: Demokratische Arbeiterpartei). Araújo wurde dreimal für die Partei zum Abgeordneten in das Parlament des Bundesstaates gewählt und kandidierte zweimal für das Bürgermeisteramt in Porto Alegre, verlor jedoch immer gegen den Kandidaten von Lulas
Partido dos Trabalhadores
(PT, dt.: Arbeiterpartei). Im Juni 1980 wurde Dilma Fraktionsassistentin der PDT im Parlament von Rio Grande do Sul, was sie bis Dezember 1985 blieb. Von März 1978 bis Juli 1983 war sie an der Universität von Campinas eingeschrieben, um in Wirtschaftswissenschaften zu promovieren, sie gab dieses Ziel jedoch endgültig auf, als sie 1986 das Finanzressort der Stadt Porto Alegre übernahm, das sie bis 1989 innehatte. DieMeinungen über ihre Amtsführung sind geteilt: Während ihr die einen eine transparente Amtsführung bescheinigen, behaupten die anderen, in ihrem Ressort hätte das Chaos geherrscht.
1989 wurde sie zur Verwaltungschefin des Stadtrates von Porto Alegre ernannt, jedoch nach einer Weile wieder entlassen, weil sie Probleme mit der Pünktlichkeit hatte. Heute ist sie dafür bekannt, nichts auf die lange Bank zu schieben.
1991 wurde sie dann Präsidentin des Instituts für wirtschaftliche und soziale Studien des Bundesstaates, in dem sie bereits nach ihrem Studium gearbeitet hatte. Am 1. Dezember 1993 wurde sie für zwei Jahre Ministerin für Bergbau, Energie und Kommunikation des Bundesstaates Rio Grande do Sul, durch den Einfluss ihres Mannes, wie es heißt. Von dem trennte sich Dilma 1995, denn er wurde Vater eines unehelichen Kindes. Zwar versöhnte sich das Ehepaar 1996 wieder, jedoch nur, um 2000 endgültig auseinanderzugehen. Sie kaufte sich ein Apartment in Porto Alegre, in dem sie bis heute wohnt, wenn sie dort ist.
Vom Ministerbüro wechselte sie 1995 zum dritten Mal in das Institut für Wirtschaft und Statistik, dieses Mal als Chefredakteurin der
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