Maechtig, mutig und genial
Banküberfälle von COLINA beteiligt gewesen sei, was er jedoch immer leugnete. Sie suchten sich nun jede Nacht eine neue Bleibe. Bei ihren Eltern konnten sie keinen Unterschlupf finden, da deren Wohnungen unter Beobachtung standen.
Das Paar versuchte zunächst, die COLINA in Belo Horizonte zu reorganisieren, wurde dann aber von der Führung nach Rio de Janeiro beordert. Dort kam es zunächst bei einer Tante von Dilma unter, die glaubte, ihre Nichte und ihr Mann machten bei ihr Urlaub. Nach einer Weile wurde Cláudio für die Gruppe nach Porto Alegre geschickt, Dilma blieb in Rio und arbeitete als Waffen- und Geldkurier von COLINA.
Bei einer Versammlung lernte sie Carlos Franklin Paixão de Araújo kennen, einen zehn Jahre älteren Rechtsanwalt, der die sogenannte
Dissidência
der Kommunistischen Partei Brasiliens anführte, eine andere linke Gruppe, die für den bewaffneten Kampf gegen die Diktatur optierte. Dilma verliebte sich in Araújo und trennte sich von Cláudio Galeno. Die Ehe wurde erst 1981 geschieden und die beiden sind bis heute befreundet. Mit Araújo blieb sie gut 30 Jahre lang zusammen. Die beiden haben eine Tochter, Paula, die im März 1976 geboren wurde und einen Enkel, Gabriel, der im September 2010 zur Welt kam. Paula begleitete ihre Mutter nach deren Amtseid am 1. Januar 2011 auf ihrer Tour im offenen Wagen durch die Hauptstadt Brasilia.
Dilmas Gruppe COLINA fusionierte 1969 mit Araújos Gruppe zur
Vanguarda Armada Revolucionária Palmares
(VAR-Palmares, dt.: Bewaffnete Revolutionäre Avantgarde Palmares), Araújo wurde einer der Führer der militärisch-politischen Organisation marxistisch-leninistischer Ausrichtung. Über DilmasRolle gibt es widersprüchliche Informationen: Ein ehemaliger Geheimdienstvertreter behauptete, Dilma hätte damals zur geistigen Führung von VAR-Palmares gehört und Streiks und Banküberfälle organisiert. Sie selbst sagte dazu, ihr würden Aktionen zugeschrieben, von denen sie nichts wisse, und ein Mitstreiter von damals behauptet, sie sei für die Verbindungen zwischen nationaler Führung und Regionalgruppen zuständig gewesen. Sie benutzte die Decknamen Estela, Luísa, Maria Lúcia, Marina, Patrícia und Wanda. VAR-Palmares spaltete sich bald wieder, und Dilma zählte künftig zu dem Teil, der auf Basisarbeit setzte. Die Gruppe schickte sie nach São Paulo, wo sie gemeinsam mit María Celeste Martins, die viele Jahre später im Präsidialamt mit ihr zusammenarbeitete, für die Verwahrung der Waffen zuständig war. Die beiden Frauen zogen in eine Pension und versteckten sie unter dem Bett.
Anfang Januar 1970 verriet ein gefangener Mitkämpfer unter der Folter, wo er sich dreimal pro Woche mit Dilma traf, und so wurde sie am 16. Januar in einer Bar der Rua Augusta von São Paulo festgenommen. Sie wurde 22 Tage in Folge mit Schlägen und Elektroschocks gefoltert. Trotzdem verriet sie weder Carlos Araújo noch María Celeste Martins. Araújo wurde dennoch im Juli gefasst. Während Dilma bereits im Gefängnis Tiradentes von São Paulo saß, hatte er eine Affäre mit einer Schauspielerin, die Dilma ihm allerdings nachsah.
Dilma Rousseff wurde in drei Bundesstaaten zu insgesamt sechs Jahren und einem Monat Gefängnis verurteilt. Sie wurde jedoch Ende 1972 vorzeitig entlassen, weil die Strafen teilweise für das gleiche Delikt verhängt worden waren. Sie hatte zehn Kilo abgenommen und litt nun an einer Schilddrüsendysfunktion. Zunächst zog sie für einige Monate zu ihrer Mutter nach Minas Gerais, um sich zu erholen, dann zu einer Tante nach São Paulo, und schließlich nach Porto Alegre in das Haus ihrer Schwiegereltern, denn ihr Mann saß bis Mitte 1974 in Porto Alegre die letzten Monate seiner Haftstrafe ab, und so konnte sie ihn besuchen.
Ihre Folterer zeigte sie später – vergeblich – an, aber im Dezember 2006 wurde ihr vom Bundesstaat Rio de Janeiro eine Entschädigung zugesprochen. Im November 2011 konnte sie schließlich als Präsidentin ein Gesetz unterzeichnen, das die Schaffung einer Wahrheitskommission vorsieht. Diese soll bis 2014 sämtlichen Menschenrechtsverletzungen nachgehen, die von 1946 bis 1988 von staatlicher Seite, aber auch von Untergrundkämpfern begangen worden sind. Die Militärs hatten in den zähen, dreijährigen Verhandlungen mit der Regierung darauf bestanden, nicht nur die Jahre der Militärherrschaft von 1964 bis 1985 zu untersuchen. Allerdings muss sich die Kommission auf die Dokumentation der Verbrechen beschränken, zu Anklagen
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