Maechtig, mutig und genial
Amazonasgebiet.
Die Teilnahme an der Gründungsversammlung der Vereinten Nationen und der Erfolg, den sie auch für die Frauen dort verbuchen konnte, war vermutlich der Höhepunkt der politischen Karriere von Bertha Lutz. In Anerkennung ihres Lebenswerkes und ihrer Verdienste nominierte die brasilianische Regierungsie 1975 für die brasilianische Delegation, als die UNO erstmals zu einer Weltfrauenkonferenz einlud und die UN-Dekade der Frauen ausgerufen wurde. Sie war zu diesem Zeitpunkt 81 Jahre alt und bereits von Krankheit gezeichnet. Dass auf dieser UN-Konferenz erstmals auch Frauen aus sozialen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen vertreten waren und letztlich sogar den Ton angaben, dürfte ihr zunächst fremd gewesen sein, aber wohl nicht missfallen haben. Bertha Lutz starb am 16. September 1976 in ihrer Heimatstadt Rio de Janeiro.
Ausgewählte Literatur:
June E. Hahner:
Emancipating the Female Sex: The Struggle for Women’s Rights in Brazil, 1850–1940
. Durham, N.C. 1990.
Eine etwas breitere Einführung in die Geschlechterbeziehungen in Brasilien bietet Susan K. Besse:
Restructuring Patriarchy, The Modernization of Gender Inequality in Brazil, 1914–1940
. Chapel Hill 1996.
AZUCENA VILLAFLOR DE VICENTI
ARGENTINIEN, 1924–1977
Nach dem Verschwinden ihres Sohnes unter der argentinischen Militärdiktatur begann die Hausfrau Azucena Villaflor de Vicenti ihn zu suchen. Sie gab den Anstoß zur Gründung der Mütter der Plaza de Mayo. Nachdem ein Geheimdienstoffizier die Mütter ausspioniert hatte, wurden mehrere von ihnen verschleppt, darunter auch Azucena. Sie wurde in der berüchtigten Mechanik-Schule der Marine gefoltert und 1977 aus einem Hubschrauber über dem Río de la Plata abgeworfen.
Anfang Dezember 1976 wurde Azucena Villaflor de Vicenti nervös. Sie hatte schon seit zehn Tagen nichts mehr von ihrem Sohn Néstor und seiner Lebensgefährtin Raquel Mangin gehört, und das war ungewöhnlich, erinnert sich Azucenas Tochter Cecilia. Schließlich erfuhr die Mutter von einer Nachbarin der beiden, dass es eine Militäroperation im Haus der jungen Leute gegeben habe, am 30. November. Néstor sei nicht zu Hause gewesen, nur Raquel. Doch die Soldaten warteten auf ihn. Als er kam, schlugen sie ihn und nahmen schließlich beide mit. Néstor war verletzt, aber er lebte.
Néstor de Vicenti kümmerte sich unentgeltlich um Kinder aus Armenvierteln, und das war während des
Proceso de Reorganización Nacional
(dt.: Prozess der Nationalen Reorganisation), wie die seit ihrem Putsch vom 24. März 1976 regierenden Militärs ihre Diktatur nannten, höchst verdächtig. Außerdem war Néstor in der linksgerichteten Peronistischen Jugend aktiv,und deren Anhänger standen auf der schwarzen Liste der ultrarechten Militärjunta.
Ihre vier Kinder Pedro, Néstor, Adrián und Cecilia waren wie schon Azucena Villaflor selbst in einem peronistischen Umfeld groß geworden. Azucenas Idol war Eva Perón. Ihr Onkel Aníbal Villaflor war ein Peronist der ersten Stunde, denn er hatte bereits an der legendären Massendemonstration am 17. Oktober 1945 teilgenommen, die dafür sorgte, dass der spätere Begründer der peronistischen Bewegung, Juan Domingo Perón, aus dem Gefängnis freigelassen wurde und für das Präsidentenamt kandidieren konnte. Aníbals zwei Söhne, Azucenas Vettern, waren in der peronistischen Gewerkschaftsbewegung aktiv und hatten dort Führungspositionen auf Provinzebene inne. Und ihr Ehemann Pedro de Vicenti, den sie 1949 heiratete, war Gewerkschafter der peronistischen
Unión Obrera Metalúrgica
(UOM, dt.: Metallarbeiter-Union). Kennengelernt hatte sie ihn, als sie im Alter von 15 Jahren begann, als Telefonistin bei SIAM zu arbeiten, einem Hersteller von Elektrohaushaltsgeräten. Azucenas Mutter, Emma Nitz, war bei der Geburt ihrer Tochter am 7. April 1927 erst 15 Jahre alt gewesen, ihr Vater Florentino Villaflor, Arbeiter in einer Wollfabrik, war sechs Jahre älter. Azucena wuchs bei einer Schwester ihres Vaters auf. Sie hat lediglich die Grundschule besucht, für mehr reichte das Geld nicht. Nach ihrer Heirat eröffneten Azucena und Pedro gemeinsam ein Lebensmittelgeschäft in ihrem Geburtsort Avellaneda, einer Vorstadt von Buenos Aires, doch nach der Geburt ihres zweiten Sohnes widmete sie sich dann nur noch dem Haushalt und der Familie. Es ging der Familie gut. Bis zu Néstors Verschwinden.
Zunächst begann Azucena, Krankenhäuser, Friedhöfe und Polizeistationen nach ihrem Sohn abzusuchen. Als
Weitere Kostenlose Bücher