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Maechtig, mutig und genial

Maechtig, mutig und genial

Titel: Maechtig, mutig und genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Karnofsky
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häuslichen Frieden bedeuten würde, so die Befürchtung mancher Männer, wenn Mann und Frau politisch unterschiedlicher Meinung waren! Doch diese Argumente zogen allmählich nicht mehr und das Wahlgesetz wurde verabschiedet. 1932 gewährte Brasilien, als zweites lateinamerikanisches Land nach Ecuador, und beinahe zeitgleich mit Uruguay, seinen Frauen endlich volle politische Rechte.
    Doch mit dem Wahlgesetz war noch nicht alles gewonnen, zumal es immer noch keine neue Verfassung gab, die diese Rechte hätte festschreiben können. Nach dem ersten Etappensieg veröffentlichte die
Federação
im Juni 1932 ein Manifest, das von fast 5000 Frauen unterzeichnet worden war und die Aufnahme von Bertha Lutz in die Kommission, die die Verfassung vorbereiten sollte, forderte. Die Frauen überbrachten dem Präsidenten, der inzwischen immer mehr Macht an sich zog, die Petition persönlich. Er gab der Bitte statt, zumal sich Bertha Lutz und die nationale Leitung der
Federação
in den folgenden Auseinandersetzungen mit dem politischen Establishmentin São Paulo auf die Seite von Vargas schlug. Als 1933 der Wahlkampf zur verfassunggebenden Versammlung begann, kandidierte Bertha Lutz in Rio de Janeiro für den
Partido Autonomista
(dt.: Partei der Autonomie). Im Wahlkampf wurden dann Anschuldigungen gegen sie laut, sie mache gemeinsame Sache mit einem Abgeordneten, dem Wahlbetrug und Bereicherung vorgeworfen wurde. Zwar sprach man sie später von diesen Vorwürfen frei, doch die Kampagne wirkte und Bertha Lutz konnte kein Mandat gewinnen.
    Im darauffolgenden Jahr fanden dann erstmals reguläre Abgeordnetenwahlen statt. Bertha kandidierte erneut. Diesmal schaffte sie es immerhin, als Ersatzkandidatin gewählt zu werden. Nach dem Tod des regulären Abgeordneten zog sie zwei Jahre später ins Parlament ein und verstärkte die Riege der neun Frauen, die seit 1934 dort ihr Mandat wahrnahmen. Einig waren sie sich allerdings längst nicht immer. Besonders Bertha Lutz und Carlota Pereira de Queirós, die aus einer einflussreichen Familie in São Paulo stammte, lieferten sich heftige Auseinandersetzungen. Lutz forderte ein spezielles Statut und ein eigenes Ressort für Frauen, das vor allem die Rechte arbeitender Frauen sichern sollte. Carlota Pereira de Queirós wandte sich mit dem Argument dagegen, dass eine solche »Bevorzugung« dem Gleichheitsgrundsatz widerspräche.
    Bertha Lutz war weitsichtig – sie stellte Forderungen wie die nach einem eigenen Frauensekretariat, die erst am Ende des Jahrhunderts politische Akzeptanz finden sollten. Und sie erarbeitete im Rahmen der Verfassungsdiskussion ein feministisches Grundsatzprogramm, die sogenannten 13 Prinzipien. Darin wurden neben den üblichen Forderungen nach Gleichberechtigung und politischen Rechten auch bezahlter Mutterschutz oder gleicher Lohn für gleiche Arbeit angemahnt. Auch sollten Frauen im Falle der Heirat künftig das Recht haben, ihre Nationalität zu behalten. Dies war in einer Gesellschaft wie der brasilianischen, in der es Millionen von Einwanderern gab, besonders wichtig und wurde von Lateinamerikanerinnenauch in die Diskussionen des Völkerbundes getragen. Noch galt, dass eine Frau bei ihrer Heirat automatisch die Nationalität des Ehemannes annehmen musste.
    Zwischen 1932 und 1936 schien der Kampf der brasilianischen Frauen für ihre Gleichberechtigung, dem sich Bertha Lutz verschrieben hatte, von Erfolg gekrönt oder zumindest auf gutem Wege zu sein. Doch dann putschte der bis dahin auch von Bertha Lutz unterstützte Getúlio Vargas im November 1937 gegen seine eigene verfassungsmäßige Regierung und rief einen autoritären
Estado Novo
(dt.: Neuen Staat) aus. Im Zeichen von Nationalismus und Industrialisierung versuchte Vargas, seine Vorstellung von einem modernen Brasilien zu realisieren und sich gleichzeitig als »Vater der Armen« zu stilisieren. Für eine demokratische Opposition war in diesem neuen Brasilien kein Platz mehr, und so endete auch Bertha Lutz’ politische Laufbahn mit diesem Staatsstreich. Zwar blieb sie noch bis 1942 an der Spitze der Frauenföderation FBPF, doch waren deren Gestaltungsspielräume recht eng. Lutz blieb dem Feminismus und dem Kampf der Frauen für Gleichberechtigung allerdings auch ohne hohe Ämter treu. 1944 vertrat sie Brasilien erneut auf einer internationalen Konferenz zu Fragen der Arbeit und beriet im Namen der
Federação
Regierungsgremien, die sich mit Frauenfragen befassten.
    Bertha Lutz und dem brasilianischen Feminismus

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