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Maechtiger Samstag

Maechtiger Samstag

Titel: Maechtiger Samstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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missbilligend »Na, na!«, drückte die brennende Lunte aus und schob die Granate in seinen Ärmel, der nicht wie ein sicherer Platz dafür aussah. Dennoch blieb sie drin.
    Arthur ging weiter, schlängelte sich zwischen den Kohlepyramiden durch und bahnte sich patschend seinen Weg durch die kohlenstaubbehafteten Wasserpfützen. Er erinnerte sich, beim vorigen Besuch im Tiefen Kohlenkeller gefroren zu haben, aber jetzt kam ihm die Temperatur recht angenehm vor, fast warm. Vielleicht eine Nebenwirkung des Nichts, das diesen Ort umgab, überlegte er.
    Es gab auch andere Veränderungen. Als Arthur sich dem blauen Licht näherte, das von der Uhr ausging, sah er dort Blumen wachsen: Kletterrosen rankten an den Kohlepyramiden hinauf, und zwischen den Pfützen blühten Glockenblumen.
    Die Glockenblumen breiteten sich aus, wo das Gelände etwas anstieg und trockner wurde; sie wuchsen jetzt aus Steinplatten statt aus einem Kohlenstaubbeet, was gleichermaßen unmöglich war. Arthur störte das nicht: Er war schon an die Eigenarten des Hauses gewöhnt. Blumen, die aus Kohle und Stein wuchsen, waren bei Weitem nicht das Seltsamste, was er gesehen hatte.
    Bei der letzten Pyramide blieb er stehen, wie er es schon damals getan hatte, als er sich dem Gefängnis des Alten zum ersten Mal näherte. Das schimmernde blaue Licht war weniger störend als damals, und er konnte klarer sehen, sodass er den Fünften Schlüssel nicht aufzufordern brauchte, für eine etwas freundlichere Beleuchtung zu sorgen.
    Arthur sah eine Landschaft vor sich, die merklich anders war als bei seinem ersten Besuch. Zwischen ihm und dem Uhrgefängnis lag ein dichter Teppich aus Glockenblumen, durchsetzt von hohen, gelbgrünen Stängeln mit üppigen, blassweißen Blüten, die ein wenig wie in die Länge gezogene Narzissen aussahen.
    Die erhöhte Plattform aus Stein, das Zifferblatt, war deutlich kleiner, als wäre es geschrumpft. Damals hatte der Durchmesser wenigstens zwanzig Meter betragen – die Länge der Auffahrt von Arthurs Elternhaus. Jetzt maß es nur noch die Hälfte, und die römischen Ziffern, die aufrecht um den Rand herum gestanden hatten, waren ebenfalls kleiner und so angelaufen, dass sie nur noch ganz schwach leuchteten. Einige standen schief und neigten sich um fünfundvierzig Grad oder mehr, und über den Rand rankten rote und rosafarbene Kletterrosen.
    Mit dem Zifferblatt waren auch die Uhrzeiger geschrumpft, sodass alles noch im selben Größenverhältnis stand. Nach wie vor liefen auch lange, glänzende Blaustahlketten von den Enden der Zeiger durch die zentrale Nabe und zu den Handfesseln des Alten.
    Der Alte selbst hatte sich ebenfalls verändert. Er sah zwar noch wie ein riesiger Barbarenheld aus, zweieinhalb Meter groß und muskelbepackt, aber seine ehemals alte, papierdünne Haut war jetzt sonnengebräunt und geschmeidig, auf dem einst kahlen Kopf hatte er weißes, sauberes Haar, das im Nacken gebunden war. Auch hatte er nicht mehr nur einen Lendenschurz an, sondern ein ärmelloses Lederwams und eine scharlachrote Überhose, die ihm bis knapp unter die Knie reichte.
    Hatte er früher wie ein gebrechlicher Greis von achtzig oder neunzig ausgesehen, so machte der Alte jetzt den Eindruck eines superfitten sechzigjährigen Helden, der es mühelos mit einer beliebigen Anzahl jüngerer Gegner aufnehmen konnte.
    Der Hüne saß auf dem Rand der Uhr zwischen den Ziffern Drei und Vier und zupfte einer Rose bedächtig die Blütenblätter ab. Er war halb abgewandt, sodass Arthur seine Augen nicht sehen konnte, oder – falls es noch nicht lang her war, dass die Puppen aus der Uhr sie ihm herausgerissen hatten – die leeren, triefenden Höhlen.
    Da Arthur auf letzteren Anblick nicht besonders scharf war, reckte er den Hals, um die Stellung der Uhrzeiger zu erkennen. Der Stundenzeiger stand auf neun und der Minutenzeiger auf fünf, was ihn in dreierlei Hinsicht erleichterte: Die Augen des Alten würden genug Zeit gehabt haben um nachzuwachsen, und seine Ketten würden wenig Spiel haben und ihn dicht bei der Uhr halten; am wichtigsten war aber vielleicht, dass die Folterpuppen das Uhreninnere noch mehrere Stunden lang nicht verlassen würden.
    Mit forschen Schritten überquerte Arthur das Glockenblumenfeld. Ketten rasselten, als er näher kam, denn der Alte stand auf, um ihn zu beobachten. Zehn oder fünfzehn Meter von der Uhr entfernt blieb Arthur stehen. Zwar war das Zifferblatt geschrumpft, doch durfte er das bei den Ketten nicht voraussetzen.

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