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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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anderes andrehen. Mit Plastikbeutel!«
    »Noch eins!« Vivian v. Rothen hielt Monika am Rock fest, als sie hinauslaufen wollte, und drehte sich zu den anderen um. »Ich gebe das Geld nur, wenn ihr ab sofort Monika in Ruhe laßt!«
    »Sieh an!« Käthe Wollop wölbte die Unterlippe vor. »Fängst wie die Gumpertz an, Vivi?«
    Mit einem schnellen Griff nahm Vivian ihre sechs Mark vom Tisch und steckte sie ein. »Also dann nicht. Adio!«
    »Halt!« Hilde Marchinski sprang an die Tür. »Vivi, sei kein Frosch! Du verstehst doch Spaß. Natürlich ist alles in Ordnung. Komm, gib die sechs Mark.«
    »Und wie bekomme ich sie wieder?«
    »Vom nächsten Abschlag … in drei Raten.«
    »Gut.« Vivian nahm die anderen drei Mark vom Tisch und winkte Monika, ihr zu folgen. »Ich geh mit bis vor die Kantine«, sagte sie. »Und ihr seid fertig mit dem Kleben, wenn wir zurückkommen.«
    Eine Weile gingen sie stumm nebeneinander her, über den Hof, zum Wirtschaftsgebäude, vorbei an den Ställen. Dort blieb Monika Busse stehen.
    »Du, Vivi –«, sagte sie zögernd.
    »Ja, Moni?«
    »Warum tust du das?«
    »Was?«
    »Daß du mich beschützt …«
    »Du bist ein netter Kerl, Moni. Du kannst noch aus dem Dreck heraus, und ich will es auch. Wir müssen zusammenhalten, allein werden wir von den Marchinskis und Wollops aufgesaugt. Ich habe dich in den vergangenen Tagen beobachtet … wollen wir Freundinnen sein?«
    »Ja, Vivi.« Sie gaben sich die Hand wie zwei Verschwörer. Es war Monika, als fiele ein schwerer innerer Druck von ihr ab. Die Angst zerschmolz, ein Hauch von Geborgenheit wärmte sie mit diesem Händedruck.
    »Und nun geh und hol den Beutel. Und wenn sie dich fragen, woher du das Geld hast … ich hab's dir geliehen.«
    Eine Stunde später wurde die Karte, sauber zusammengeklebt und zu einem kleinen Päckchen gefaltet, in den Beutel gesteckt und im Wasserspülkasten des Klosetts versenkt.
    »Ein Glück, daß die noch keinen Druckspüler haben«, lachte Käthe Wollop, als sie an der Kette zog und sich keinerlei Behinderung zeigte. »Und welch ein Gefühl, hier zu sitzen und über sich den Weg in die Freiheit zu haben –«
    An diesem Abend mußten sämtliche Zimtsterne gegessen werden, um die ›Verpackungsspuren‹ zu vernichten. In der Nacht träumte Monika von zwei riesigen Händen, deren Haut in Fetzen herunterhing und mit einem Kartenbild tätowiert waren, und diese Hände kamen auf ihren Hals zu und würgten sie, und würgten … würgten … Mit einem Schrei fuhr sie hoch und saß im Bett, ein sich schüttelndes Bündel Angst, in dessen Ohren noch das Geheul nachklang.
    Vor dem Fenster hing der Mond wie auf einem japanischen Gemälde. Er hatte einen weiten Hof, Kälte drang durch die Mauern, die Klarheit des Himmels war eisig und die Sterne wie zu Kristallen erstarrte Tropfen.
    In den beiden anderen Betten schliefen Hilde und Käthe ihren festen Schlaf. Hilde Marchinski schnarchte ein wenig, Käthe Wollop hatte sich bloßgestrampelt. Ihre nackten Schenkel waren im Mondlicht wie versilbert.
    Leise trat Monika an das Fenster und sah hinaus. Das Moor war weiß, vereist, gestorben. Wie im Eis erstarrte Gestalten hoben sich die Wacholderbüsche und Weiden ab, bizarre Gebilde mit hunderten flehend ausgestreckten Armen und Fingern.
    »Mutter –«, sagte Monika leise. »Mutter … warum schreibst du nicht …«
    Sie lehnte den Kopf gegen die eisige Scheibe und weinte leise.
    Regierungsrat Dr. Schmidt war es gewohnt, mit Anwälten zu sprechen. Es gehörte zu seinem Tageslauf, aber er koppelte alle Gespräche, die sich meist um Strafverkürzung oder Revisionen drehten, mit einer kleinen Propaganda für seine Erfindung ›Wildmoor‹. Wer konnte ihm das übelnehmen? Die alten Anwälte hörten sich seine Theorien geduldig an, sahen das Gut mit kritischen Augen und sagten dann meistens: »Lieber Herr Regierungsrat … hier möchte ich auch mal ein Jahr absitzen. Das täte meinen Nerven gut. So wohltuend habe ich's ja nicht im Urlaub … selbst da kommt mir die Post nach.«
    Aus diesen Äußerungen entnahm Dr. Schmidt das völlige Unverständnis der älteren Juristen, gestrauchelte Jugendliche nicht zu bestrafen, sondern zu erziehen. Selbst die Anwälte der Wildmoor-Insassen schüttelten nach der Besichtigung den Kopf und meinten: »Verstehen Sie, daß mein Mandant hier raus will? So gut wie hier hat er's draußen nie gehabt. Man sollte ihm sagen, daß er sich ein Jahr Sanatorium eingehandelt hat.«
    Dr. Schmidt antwortete auf

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