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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zusammenzuziehen, als trete er nach jemanden im Unterbewußtsein. »Es bleibt doch ein Mordversuch! Du als Jurist –«
    »Ich weiß! Ich weiß! Aber ich will die Untersuchung zunächst ganz allein führen. Wenn ich nicht weiterkomme –«
    »… wird es zu spät sein, noch Spuren zu finden«, vollendete Dr. Röhrig den Satz. »Auch für dich und eine Rechtfertigung wird es zu spät sein.«
    »Ja.« Dr. Schmidt drehte sich um. Sein Gesicht wirkte fahl und eingefallen. »Ich bin dann auch bereit, die Konsequenzen zu ziehen. Bis dahin aber kämpfe ich um Wildmoor wie eine Löwin um ihr Junges! Und ich weiß, daß kein Wort nach draußen dringt … weder von den Beamtinnen noch von den Mädchen. Diese Tat hier« – er zeigte auf die langsam erwachende Emilie Gumpertz – »hat etwas vollbracht, was ich nie geglaubt hätte: eine verschworene Gemeinschaft. Jeder weiß jetzt, was ihn erwartet, wenn Wildmoor aufgelöst wird, jeder erkennt jetzt, was er zu verlieren hat … und ich weiß auch, daß eines Tages die Täterin hier vor mir steht, von den anderen wie ein Wild gehetzt –«
    »Sie kommt zu sich«, unterbrach Dr. Röhrig seinen Freund.
    Emilie Gumpertz seufzte tief auf. Es war ein köstliches Luftholen, das folgte, ein tiefer, tiefer Atemzug, der neue Luft in die Lungen sog und den Körper endgültig dem Bewußtsein zurückgab. Die Köchin schlug die Augen auf … einen Augenblick war es, als besänne sie sich … dann zuckte sie hoch, setzte sich, raffte das Kleid über der Brust zusammen, stierte um sich, begriff nicht, wo sie sich befand, und stieß einen dumpfen Schrei aus. Gleichzeitig trat sie um sich in einer wilden Abwehr. Erst, als Dr. Röhrig sie kräftig rüttelte, beruhigte sie sich und sank in sich zusammen. Die Verkrampfung löste sich in einem heftigen Weinen, und es war seltsam anzusehen, wie die aufgedunsene, häßliche Frau auf dem Untersuchungsbett saß und sich ihr nackter, schwammiger Oberkörper im Schluchzen zusammenzog und wieder vorschnellte.
    Dr. Röhrig und Dr. Schmidt warteten, bis sie sich etwas beruhigt hatte. Dann, als Emilie Gumpertz ihr Kleid wieder zugeknöpft hatte und etwas wie Scham ihr Gesicht färbte, überfiel sie Dr. Schmidt mit einer brutalen Frage.
    »Das Mädchen hat alles gestanden! Was haben Sie dazu zu sagen?« rief er.
    Und er erlebte die größte Verblüffung seines bisherigen Lebens. Emilie Gumpertz glitt vom Untersuchungsbett und fuhr sich ordnend durch die Haare.
    »Welches Mädchen, Herr Rat?« fragte sie zurück. Dabei verkniff sich ihr Mund und wurde schmal und starr.
    »Die Täterin!«
    »Wieso Täterin?«
    »Die einen Mord auf Sie plante!« schrie Dr. Schmidt in heller Erregung. Emilie Gumpertz schüttelte langsam den Kopf.
    »Mord? Was reden Sie da, Herr Rat? Ich ging mit einer Wäscheleine zum Schuppen, stolperte, die Leine verfing sich irgendwo, und ich muß so unglücklich gefallen sein, daß ich mich fast erwürgte …«
    Dr. Röhrig starrte Dr. Schmidt stumm mit großen ratlosen Augen an. »Das ist doch gelogen!« sagte er endlich heiser.
    »Nein!«
    »Man hat keine Leine gefunden, als man Sie aufhob.«
    »Nicht? Das ist merkwürdig! Dann ist sie geklaut. Die Mädchen klauen wie die Raben, vor allem so was.«
    »Und die Nägelmale an Ihrem Hals?« schrie jetzt Dr. Röhrig in höchster Erregung. »Die blutigen Eindrücke? Eine Leine gibt eine andere Würgespur, und wenn sie verletzt, dann schabt sie Haut ab. Aber in Ihrem Hals sind deutlich Nägel eingedrückt –«
    »Da müssen Sie sich irren, Herr Doktor.« Emilie Gumpertz legte beide Hände um ihren dicken Hals und bedeckte die Würgemale. »Auch Ärzte können sich irren, nicht wahr?«
    »Sie behaupten also, nicht überfallen worden zu sein?!« fragte Dr. Schmidt leise.
    Emilie Gumpertz zögerte nicht eine Sekunde mit der Antwort. »Nein!« sagte sie fest. »Davon kann gar keine Rede sein. Nur schade, daß die schöne Wäscheleine weg ist. Eine richtige, gute Hanfleine, Herr Rat, noch ganz neu …«
    »Und das ist Ihre letzte Aussage?«
    »Ja … Es war ein Unfall.« Emilie Gumpertz atmete ein paarmal tief durch. Wer die Not von wegbleibender Luft kennengelernt hat, weiß jeden tiefen Atemzug zu schätzen als die köstlichste aller Lebensfunktionen. »Lassen Sie bitte die Leine suchen, Herr Rat … die Mädchen könnten damit Dummheiten machen –«
    »Es ist gut.« Dr. Schmidt wandte sich ab und trat wieder ans Fenster. Dr. Röhrig winkte der Köchin zu.
    »Sie haben vorerst drei Tage Bettruhe,

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