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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sterbend auf dem Boden liegend, als sie sich wunderte, wie lange die Köchin im Vorratsschuppen blieb und ihr nachging. Mit einem wilden Gekreisch alarmierte Barbara die ganze Anstalt. Schreckensbleich erschien Hedwig Kronberg, die Heimmutter II, ohne anzuklopfen bei Dr. Schmidt im Zimmer.
    »Herr Regierungsrat –«, keuchte sie. »Herr –« Sie lehnte sich gegen die Wand und strich sich die grauen Haare aus der Stirn. »Ein Mordversuch … an Frau Gumpertz … ein …« Es war so ungeheuerlich, daß sie nicht weitersprechen konnte, sondern Dr. Schmidt mit weiten Augen anstarrte.
    Dr. Schmidt schnellte hoch. »Das ist doch wohl nicht möglich!« rief er. »Um Gottes willen … das darf doch nicht wahr sein –«
    Die Konsequenzen, die sich aus diesem Vorfall ergeben würden, waren Dr. Schmidt sofort klar. Schließung der offenen Anstalt, Auflösung aller Institutionen, die er mühsam aufgebaut hatte, Spott und Triumphgeschrei seiner Gegner, Verlegung der Mädchen zurück in die normalen Gefängnisse … der Zusammenbruch eines Werkes, an dem Dr. Schmidt sein ganzes Herz und seinen feurigen Idealismus gehängt hatte.
    Man hatte Emilie Gumpertz auf das Untersuchungsbett des Krankenzimmers gelegt, als Dr. Schmidt erschien. Vor der Tür jammerte Barbara und raufte sich die Haare, auf dem Hof standen die Mädchen zusammen und starrten zum Verwaltungsgebäude.
    »Da hat einer Rache an der alten Sau genommen«, sagte Hilde Marchinski ruhig. »Hoffentlich ist sie hinüber!«
    Niemand antwortete, aber in den Augen der Mädchen lag kein Mitleid, kein Erstaunen, keine Überraschung … sie sahen auf das Gebäude und das Fenster des Krankenzimmers mit dem stumpfen Blick von Fischen, und wenn es eine Regung gab, dann war es Haß oder innere Freude. Es war eine Zusammenballung von Todeswunsch, eine Welle von Kälte, hervorströmend unter blonden, braunen, schwarzen und roten Haaren, und aus Gesichtern schreiend, denen noch der Glanz und die Weichheit des Kindlichen anhafteten.
    Julie Spange sah die Sinnlosigkeit ein, diese zusammengeballten Gruppen der Mädchen auseinanderzutreiben. Für eine Stunde war die Ordnung zerbrochen. Es war ein stiller Aufstand … aber nicht der Gegnerschaft, sondern der einmütigen Erwartung. Es nutzte deshalb nichts, daß Julie Spange schrie: »Auf die Zimmer! Stillbeschäftigung! Los, auf die Zimmer!« Die Mädchengruppen blieben stehen oder schoben sich noch mehr zusammen, Fäusten gleich, die sich schlossen.
    Im Untersuchungszimmer brauchte Dr. Schmidt nur einen Blick, um die Tatsache des Mordversuches festzustellen. Um den dicken Hals der Köchin Gumpertz zeichneten sich klar die Würgemale ab, waren Hautstellen von Fingernägeln weggerissen, hatten Nagelkuppen sich wie Klammern ins Fleisch gepreßt. Das Gesicht war bläulich und aufgedunsen, die Zunge hing bläulich über den Zähnen und Lippen … die kleine Revierschwester hatte das Kleid der Köchin aufgerissen und massierte ihre fleischige, über den Stoff wie ein aufgehender Hefeteig quellende Brust.
    »Sie lebt noch …«, keuchte sie, als Dr. Schmidt an das Bett trat. »Dr. Röhrig ist verständigt … er kommt sofort –«
    Erschüttert setzte sich Dr. Schmidt auf einen Schemel neben die Besinnungslose. Er sprach kein Wort, nur ab und zu schüttelte er den Kopf, als wolle und könne er nicht begreifen, daß so etwas in seiner mustergültigen Anstalt geschehen war. Julie Spange und Hedwig Kronberg standen wie Türme neben ihm und warteten auf eine Regung ihres Chefs.
    »Weiß man, wie es geschehen ist?« fragte er endlich.
    »Nein. Barbara fand sie im Gang zum Schuppen.«
    »Barbara soll kommen!«
    Das noch immer hysterisch weinende Mädchen wurde hereingeführt. Als sie den nackten Oberkörper der Köchin sah, die Würgemale am Hals, die blaue Zunge in dem gedunsenen Gesicht, kreischte sie wieder auf und verfiel in wilde Zuckungen. Ihr stämmiger Körper wand sich wie unter Peitschenhieben. Dr. Schmidt starrte das Mädchen mit einer Mischung von Erstaunen und unerklärbarer innerer Abwehr an.
    »Ruhe!« brüllte er plötzlich. Es war wie ein Faustschlag. Barbaras Mund blieb offen, aber die Zuckungen erstarben. Dafür rann der Schweiß in dicken Tropfen über ihr Gesicht, als stehe sie in einem überheißen Saunaraum.
    »Du hast sie gefunden?«
    »Ja –«, stammelte Barbara.
    »Und du hast keinen anderen gesehen?«
    »Nein –«
    »Du kannst dir auch nicht denken, wer es gewesen war?«
    »Nein.«
    Dr. Schmidt wandte sich zu Julie Spange

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