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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Schuhspitzen spielerisch auf den Steinboden. Sie ließ eine erwartungsvolle Stille nach diesem Satz und schnalzte dann mit der Zunge. »Sie werden mir jeden Abend ein warmes Essen bringen.«
    »Nein!« sagte Julie Spange laut und voll Erstaunen.
    »Doch!« Käthe Wollops Kopf fuhr herum. Ihre Augen waren hart und mitleidlos. »Ich weiß, daß Sie zweimal in der Woche einen Mann durch Ihr Fenster klettern lassen …«
    Einen Augenblick erstarrte Julie Spange in entsetzter Sprachlosigkeit. Es bedurfte keiner langen Gedanken, um zu wissen, was diese Drohung bedeutete. Das bedingungslose Ausgeliefertsein, das in einem Gefängnis – auch wenn es eine ›offene Anstalt‹ war – gleichbedeutend mit einem moralischen Tod war, lähmte sie fast.
    »Das … das ist nicht wahr –«, sagte sie leise. »Du gemeines Luder … ich werde es dem Chef melden.«
    Käthe Wollop lehnte sich gegen die Zellenwand und lächelte breit. »Tun Sie das! Auch Hilde hat's gesehen. Ich kann Ihnen sogar beschreiben, wie er aussieht: groß, blond, jung … wir haben alle nicht begriffen, daß so 'n junger Mann sich an so ein dickes Weib wie Sie hängt –«
    Julie Spange hob die Hand. Ihren Körper durchzitterte ohnmächtige Wut, die von einer panischen Angst genährt wurde.
    »Schlagen Sie doch!« sagte Käthe Wollop zynisch. »Sie wissen … das gibt einen dicken Prozeß wegen Gefängnisinsassen-Mißhandlung! In Celle war so ein Fall. Die Wachtmeisterin wurde zwangspensioniert! Schlagen Sie nur –«
    »Man sollte dich umbringen –«, keuchte Julie Spange.
    »Also wie ist es: Bekomme ich mein warmes Essen?« Käthe Wollop genoß in vollen Zügen die Hilflosigkeit der Heimmutter. Sie ließ die Beine pendeln, spitzte die Lippen und pfiff einen Schlager. Mit den Fingern trommelte sie dabei auf das Bettgestell.
    »Nein!« schrie Julie Spange in letzter Auflehnung.
    »Das ist dumm. Man wird hier ja förmlich zu Gemeinheiten gezwungen. Und verhindern, daß ich den Direktor spreche, können Sie nicht! Und wenn Sie's können … dann stell ich mich krank und sage es dem Arzt! Und einen Arzt können Sie mir nicht verweigern. Nach der Gefängnisordnung habe ich Anspruch auf –«
    »Du bekommst dein Essen«, sagte Julie Spange matt. »Auch wenn du unrecht hast. Mit solchem Dreck wie dich soll man sich nicht beschmutzen …«
    Käthe Wollop war weit davon entfernt, das als Beleidigung anzusehen. Sie war im Gegenteil zufrieden. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete sie Julie Spange, die mit bebenden Fingern den richtigen Schlüssel für die Zelle am Schlüsselbund suchte.
    »Nervös?« fragte Käthe Wollop mitleidig.
    »Das werde ich dir nie vergessen!«
    »Hoffentlich. Ich habe noch eineinhalb Jahre hier abzureißen … Sonderbehandlung ab sofort erwünscht –«
    »Du kannst mich nicht erpressen!« Die Heimmutter hatte den richtigen Schlüssel gefunden und steckte ihn ins Schloß. »Es gibt auch andere Wege, mit dir fertig zu werden.«
    »Darauf bin ich höllisch gespannt.« Käthe lachte hell. »Bange machen gilt nicht …« Sie hüpfte von der Holzpritsche und kam auf Julie Spange zu. Ganz nahe war ihr Gesicht, und ihr Atem war von einer katzenhaften, leisen Gefährlichkeit. »Du wirst mir deinen Schatz einmal ausleihen müssen, Heimmütterchen –«, sagte sie gedehnt. »Wann, das sag ich dir noch. Der Junge soll mal etwas anderes kennenlernen als ranzigen Speck …«
    Wortlos, vor Wut zitternd, mit hellrotem Kopf, warf Julie Spange die Zellentür zu und schloß klirrend ab. Durch die Tür gellte das triumphierende Lachen Käthe Wollops hinter ihr her, und sie hörte es noch, als sie den Kellergang abschloß und nach oben stieg. Ein Lachen, von dem sie wußte, daß sie ihm nicht mehr entrinnen würde, es sei denn durch die Aufgabe dessen, was ihr zur Lebensaufgabe geworden war.
    Am gleichen Abend ereignete sich ein geheimnisvoller Vorgang auf dem Flur von der Küche zum Vorratsschuppen. Auf diesem kleinen Stück wurde die Köchin Emilie Gumpertz von einem plötzlich auftauchenden Schatten niedergeschlagen und gewürgt. Der Überfall geschah so plötzlich, daß sie an keine Gegenwehr mehr denken konnte … röchelnd fiel sie in die Knie, fühlte, wie ihr die Augen aus den Höhlen quollen, und in der Todesangst, im Bewußtsein, zu ersticken, riß sie den Mund weit auf und schrie mit der letzten Luft, die die krallenden Finger noch durchließen. Dann verlor sie die Besinnung.
    Die feiste Barbara, der bisherige Liebling der Gumpertz, fand sie

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