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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gerade heraus.
    Monikas Kopf flog herum. Ihre Augen sprühten offene Abwehr.
    »Was heißt das?«
    »Mädchen, mach einem alten Kumpel nichts vor. Du kannst 'nen Neger blaß machen, aber nicht mich! Wie lange haste bekommen?«
    Monika biß sich auf die Lippen. »Ein Jahr«, sagte sie leise.
    »Kleener Fisch also, wat? Imma jut jeführt, in der Kirche mit 'n Pastor jeheult, Halleluja gezwitschert … und dann det Drückkommando. Jratuliere, Puppe!« Willi fühlte sich wieder zu Hause. Er nahm noch einen an die Brust, der Kornbrand wärmte den letzten Kälterest aus ihm weg, und das Bewußtsein, am Ziel zu sein, war so schön, daß er nach dem letzten Schluck sich nicht zurückhalten konnte und rülpste. Die Vertrautheit Gleichgesinnter lag wie ein Geruch im Raum.
    »Und nu zu Hilde. Wat macht se?«
    »Sie arbeitet im Stall.«
    »Hilde! Im Stall? Ick lach mir 'n Loch ins Hemd! Mit ihre zarten Fingerchen … nur melken, det schafft se. Melken konnt se schon immer.« Willi lehnte sich genüßlich zurück. O Hilde, dachte er erinnerungsschwer. Weeßte noch … unsere Bude unterm Dach, fast hundert Mark haste jede Nacht jemacht, een Leben war det, sag ick! Bis der Blödsinn mit den Raubüberfällen kam. Die blöde Masche vom Josef. Det war'n Fehler, da mitzumachen … wär'n wir beim Horizontalen jeblieben, 'nen weißen Sportwagen hätten wir jetzt –
    »Denkt se noch an mir?« fragte er, ehrlich ergriffen.
    »Ja.«
    »Hat se die Karte bekommen?«
    »Ja.«
    »Ja! Ja! Ja! Kannste nich mehr sagen?«
    »Nein.«
    »Kann man Hilde mal sehen?«
    »Vielleicht …«
    »Wie denn?«
    Monika Busse dachte an Hilde Marchinski und an die Erzählungen über Willi. Wie es auch gewesen sein mochte, wie tief Hilde auch gesunken war, wie unrettbar für die normale Gesellschaft sie auch war … es blieb immer ein Rätsel, wie sie einen Menschen wie Willi lieben konnte. Ehrlich lieben, das war es. Sie hatte für ihn auf der Straße gearbeitet, er hatte sie ausgenommen, geschlagen, beschimpft, er hatte gefaulenzt und am Morgen ihr Portemonnaie durchgezählt, er hatte sie Drecksau und Hurenaas genannt … aber dann lagen sie wieder zusammen in einem Bett, und es war alles vorbei, alles anders, friedlich und schön, so schön, daß man alles vergaß, worum man sich Minuten vorher noch umbringen konnte. Ein Rätsel, wirklich … der Mensch ist ein Wundertier …
    An diesem Morgen erfuhr Willi, wie er Hilde Marchinski gefahrlos sehen und vielleicht sogar sprechen konnte.
    Einmal in der Woche zog ein Kommando aus Wildmoor hinaus, um Reisig zu suchen. Aus ihm wurden in den langen Winterabenden Reisigbesen gebunden, die später auf dem Markt oder an einen Großhändler verkauft wurden. Von dem Erlös wurde dann zweimal im Jahr die Kantine aufgefüllt, der kleine Anstaltsladen unter Aufsicht von Julie Spange, in dem es Bonbons, Lockenwickler und Toilettseife zu kaufen gab, Schokolade und Haarnetze.
    Es war möglich, daß auch Hilde Marchinski zu einem dieser Reisigkommandos gehörte … irgendwo im Wald konnte sich dann die Gelegenheit ergeben, daß Willi und Hilde sich sprachen.
    »Und wann ist das immer?« fragte Willi atemlos.
    »Jeden Donnerstag.«
    »Also morgen?«
    Er griff wieder zur Flasche und trank.
    Morgen, dachte er. Morgen werde ich Hilde wiedersehen. Verdammt, man muß sich zusammennehmen, daß man nicht losheult wie ein junger Hund …
    Der Staatsanwalt war nicht gerade in bester Laune, als Dr. Jochen Spieß es mit Hilfe einer 80-Pfennig-Zigarre erreichte, daß der Inspektor im Vorzimmer ihn anmeldete und der Anwalt des Staates, der im Namen des Volkes seine Anklagen erhebt, ihn hereinbat. Vorausgegangen war eine Aussprache mit dem Oberstaatsanwalt, der sehr kalt gemeint hatte, in letzter Zeit zeige sich eine erschreckende Müdigkeit in der Staatsanwaltschaft, die sich durch merkwürdige Milde tarne. Ein Vorwurf, nach dem jeder Staatsanwalt eine gelbliche Gänsehaut bekommt.
    »Mein lieber Doktor –«, sagte deshalb der Staatsanwalt, als Dr. Spieß sich gesetzt hatte und aus der Aktentasche seinen kleinen Tonbandkoffer holte und auf den Tisch stellte. »Sie wissen, daß das kein Beweismittel ist …«
    »In diesem Falle doch.«
    Der Staatsanwalt seufzte leise und betrachtete mißtrauisch das Tonbandgerät. Dr. Spieß klappte es auf, ließ die Spule zurücklaufen, drückte die Taste auf Wiedergabe, hob aber noch nicht die Sperre auf. Es war vorher noch etwas zu sagen.
    »Sie wissen, warum ich komme?«
    »Nein. Ich habe einen Koffer voll

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