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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schwöre dir … ich habe sie nicht! Glaub mir doch, Hilde – Was sollte ich denn damit?«
    »Abhauen … heimlich … ohne mich …«
    »Nein! Nein!«
    Hilde Marchinski griff wieder zu und drückte Käthe Wollop an die Wand.
    »Du lügst!« sagte sie kalt. »Ich weiß, daß du keine Nacht richtig schläfst, daß du mir nachschleichst …«
    »Das stimmt! Ich habe dir damals gesagt, daß ich wie ein Schatten sein werde. Entweder wir zusammen … oder keine!« Käthe Wollop stieß Hilde zurück. Nach dem ersten Schrecken spürte sie jetzt die Kraft zur Gegenwehr. »Ich habe deine Mistkarte nicht!« schrie sie. »Wo soll ich sie denn verstecken?«
    Hilde Marchinskis Gesicht wurde fahl. Sie ließ die Arme sinken und lehnte sich gegen den großen Sammelkessel.
    »Aber sie ist weg. Ich habe vorhin nachgesehen. Hast du mit jemandem darüber gesprochen, wo sie versteckt war?«
    »Mit niemandem.«
    Hilde Marchinski nagte an der Oberlippe. Ihre graugrünen Augen wurden dunkel.
    »Vivian …?« fragte sie langsam.
    »Unmöglich.«
    »Warum?«
    »Die ist zu brav dazu! Die will doch nicht weg! Was soll die mit der Karte? Das ist ganz ausgeschlossen.«
    »Wußte Vivi, daß ich die Karte im Klo versteckt habe?«
    »Von mir nicht.«
    »Aber es ist möglich?«
    »Wenn sie dich beobachtet hat –« Käthe Wollop hob ruckartig den Kopf. »Natürlich wußte sie, daß du sie im Spülbecken versteckt hast. Sie war doch dabei, als wir die Karte aus den Zimtsternen holten und zusammenklebten. Und Monika auch.«
    »Monika ist schon längst weg … aber Vivian ist vorgestern zum Außendienst. Und in der Nacht vorher habe ich noch nachgesehen … da war die Karte noch da –«
    Die beiden Mädchen sahen sich an, noch kritisch, ungläubig, mißtrauisch. Sie konnten es nicht glauben, was plötzlich als Tatsache vor ihnen stand.
    »Also Vivian –«, sagte Käthe Wollop heiser. »Da kommst du nicht mehr ran. Die bleibt bei ihrem Bauern bis zum Sommer …«
    »Wer sagt das?«
    »Die Kronberg. Sie hat es der Gumpertz gesagt.«
    Hilde Marchinski schwieg verbissen. Das sanfte Millionärspüppchen, dachte sie. Mit den Rehaugen und den feinen Manieren. Die Gehacktes nur mit der Gabel ißt und Klöße nicht zerschneidet, sondern aufreißt. Die sich Geld spart, um in der Kantine Perlonstrümpfe zu kaufen und auf uns Proletarier herabblickt wie auf einen krabbelnden Mistkäfer.
    »Der zerschlage ich die schöne Fresse, bis nichts mehr übrigbleibt«, sagte Hilde voller Haß.
    »Dazu mußt du sie erst hier haben …«
    »Ich hole sie mir!«
    »Im Moor?«
    »Am Ende der Welt, wenn's sein muß. Die kennt die Hilde Marchinski nicht. Ich habe einmal geglaubt, daß es einen Sinn hätte, anders zu werden, anständig …«
    »Du – und anders?« Käthe lachte leise.
    »Laß das blöde Meckern!« Hilde Marchinski schüttelte die roten Haare. »Wirklich, ich wollte anders werden, ich hatte es satt, immer nur in der Gosse zu leben, nichts anderes zu sein als eine menschliche Kakerlake … Aber wie sind die anderen, he? Die, an deren Vorbild wir uns aufrichten sollen? Sind die anders? Die gleichen gemeinen Fressen, nur besser geschminkt und besser riechend. Und gemeiner, viel gemeiner. Bei uns sieht man … die kommt aus 'nem Hurenhaus … bei den anderen sieht man nur die engelhafte Lügenfassade, und dahinter ist Dreck, Müll, Mist!« Hilde Marchinski ballte die Fäuste. »Ich hole mir die Karte wieder.«
    »Verrückt. Wie denn?«
    »Das wirste sehen. Nicht alle, die auf 'ner Hilfsschule waren, sind deshalb Idioten –«
    Nach dem Abendessen ließ sich Hilde Marchinski bei Regierungsrat Dr. Schmidt melden. Sie bestand bei Hedwig Kronberg darauf, ihn selbst zu sprechen. »Es heißt, der Direktor ist immer für uns da, zu jeder Tageszeit … Ich möchte ihn jetzt sprechen …«
    »Wenn es nicht wichtig ist, fliegst du raus.«
    »Es ist wichtig.«
    Dr. Schmidt ließ Hilde kommen, von seinen ›Sorgenkindern‹ war sie die verschlossenste und gefährlichste. Sie war eines der wenigen Mädchen im Moor, die drei Jahre Jugendgefängnis hatte.
    »Was gibt's?« fragte er burschikos, als Hilde vor ihm stand. Das Mädchen knetete die Finger ineinander, es scheute sich zu sprechen, es wurde rot und verlegen. Hilde Marchinski spielte diese Rolle vorzüglich, auch Dr. Schmidt hatte keinen Argwohn.
    »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen das erklären soll, Herr Direktor.«
    »Was ist so wichtig?«
    »Sie wissen, daß wir alle zu Ihnen Vertrauen haben, Herr Direktor. Ich hätte es

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