Mädchen im Schnee
längst über alle Berge. Aber wenn er so nah bei Hagfors einkauft, dann heißt das doch, dass er ganz in der Nähe ist.«
Die anderen brummten zustimmend.
»Hat ihn denn jemand schon mal in Munkfors gesehen?«, fragte Munther.
Urban schüttelte den Kopf.
»Wir haben in allen Lebensmittelgeschäften und allen Tankstellen gefragt, aber es hat ihn niemand gesehen.«
»Na gut, jetzt hängt sein Foto dort aus. Hoffen wir mal, dass das Brennholz und die Lebensmittel nicht lange vorhalten. Ich denke, wir werden ihn bald haben, oder?«
Niemand in der Runde antwortete.
Magdalena drehte den Haustürschlüssel herum und rüttelte ein paar Mal am Knauf, um sich zu versichern, dass auch wirklich abgeschlossen war. Als sie auf die Straße trat, sah sie noch einmal zum Küchenfenster hoch und betrachtete ihr Werk.
Doch, das war ganz passabel. Die Kaffeehausgardine schützte sehr gut vor neugierigen Blicken. Das war das Wichtigste.
»Muss ich reinkommen?«, fragte Nils und sah von einem Schneehaufen am Straßenrand auf.
»Nein, ein bisschen könnt ihr noch spielen. Ich gehe kurz zu Melvins Mama.«
Diana hatte auch ihre neuen Gardinen aufgehängt, lila Stores mit aufgedruckten Schilfhalmen im Schlafzimmer. Magdalena drückte ein paarmal auf die Klingel und trat ein.
»Ich wollte meine Schulden bezahlen«, sagte sie, als Diana in den Flur kam.
Sie gingen in die Küche und setzten sich. Auf dem Tisch lag die Post, ein paar Inkassobriefe und einer vom Finanzamt. Diana schob die Umschläge schnell zusammen, legte sie auf die Arbeitsfläche und lächelte Magdalena an.
Magdalena erwiderte das Lächeln und nahm ein paar Scheine aus ihrer Brieftasche.
»Wie läuft es mit den Mordermittlungen?«, fragte Diana und nahm das Geld entgegen.
»Es scheint, als hätte derselbe Täter beide Mädchen umgebracht«, sagte Magdalena. »Die Polizei hat Hinweise, die beide Morde miteinander in Zusammenhang bringen, aber sie wollen nicht sagen, welche Hinweise das sind.«
»Schau dir das an – ich kriege schon eine Gänsehaut, wenn du nur davon redest«, sagte Diana, zog den Pulloverärmel hoch und zeigte ihr die hellen Haare auf ihrem Unterarm. »Ich hoffe, dass sie den, der das getan hat, bald kriegen. Eher kann ich nicht ruhig schlafen.«
»Ja, das ist wirklich zu hoffen«, sagte Magdalena und sah aus dem Fenster.
»Sag mal, willst du renovieren?«, fragte Diana.
Sie goss Wasser in die Kaffemaschine und drückte einen Kaffeefilter in den Halter.
»Nein«, sagte Magdalena. »Nein, das hatte ich eigentlich nicht vor.«
»Wie schade, und ich dachte, ich hätte am Wochenende das Auto von Björkman vor dem Haus stehen sehen. Der sieht ja ziemlich gut aus. Es wäre sicher nett, ihn ein paar Wochen im Haus zu haben.«
Diana lachte.
»Wenn ich Stefan nicht hätte, dann«, flüsterte sie gespielt vertraulich und stellte zwei Tassen auf den Tisch.
»Wage es nur nicht«, sagte Magdalena und versuchte, streng auszusehen.
Diana sperrte die Augen weit auf.
»Machst du Witze?«
Magdalena merkte, wie ihre Mundwinkel zuckten. Sie hatte noch nie ein richtiges Pokerface aufsetzen können.
»Das ist ja unglaublich!«, rief Diana.
So weit zum Thema Geheimhalten, dachte Magdalena. Zwei Tage hatte es gedauert. Aber es war sicher besser, die Karten auf den Tisch zu legen, ehe Nils anfing, von »Mamas neuem Freund« zu reden.
»Alte Liebe und so weiter«, fuhr Diana fort. »Du bist doch gerade erst wieder hierhergezogen. Gott, ist das romantisch!«
Magdalena zog den Katalog, der auf dem Tisch lag, noch einmal zu sich heran und fing an zu blättern.
Plötzlich kamen ihr die Kaffehausgardinen viel zu klein vor.
Großmutter, wir sind umgezogen. Wie soll Ana mich jetzt finden? Unsere Matratzen liegen Kante an Kante auf dem Fußboden. In den Nächten ist es ganz schlimm kalt. Eine solche Kälte habe ich noch nie erlebt. Tagsüber hört man Lärm und Stimmen, und manchmal sehr laute Musik. Ich glaube, wir sind über einem Restaurant.
Die anderen Mädchen plappern die ganze Zeit, meist auf Russisch. Ich verstehe nicht, wie sie das machen, wie es überhaupt in einem Menschen so viele Worte geben kann. Vor allem eine von ihnen, Aljona, ist so. Unter uns gesagt, scheint sie mir ziemlich verrückt, ein bisschen wie Alessandra zu Hause. Sie hat kurze Haare, fast wie ein Junge, und wenn die anderen sich über sie lustig machen, versteht sie gar nichts, obwohl sogar ich die Witze verstehe. Aber sie lacht trotzdem. Sie klingt dabei wie eine kleine
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