Mädchen im Schnee
Land«, vier Buchstaben.
Ihr fiel überhaupt nichts ein. Nein, ich bin auch zu müde, dachte sie und knipste die Lampe aus.
Nun war es pechschwarz im Zimmer. Sie hörte, wie Bengt seufzte und sich herumwarf im Schlaf.
Worüber er wohl die ganze Zeit nachgrübelt?, fragte sie sich. In der letzten Zeit war er ungewöhnlich zerstreut gewesen und hatte nur sehr kurzangebunden auf ihre Fragen geantwortet.
Vielleicht machte er sich wegen irgendwelcher Wehwehchen Sorgen, wie sie es von Zeit zu Zeit auch tat.
Manchmal war Gunvor fast erstarrt vor Angst, dass Bengt etwas zustoßen könnte. Wie würde sie dann zurechtkommen? Und wie würde es ihm ergehen, wenn er allein bliebe? Das wäre vielleicht noch schlimmer. Sie hatten geheiratet, als sie einundzwanzig und er sechsundzwanzig gewesen war, und im Laufe der Jahre hatten sie die Aufgaben des Alltags untereinander aufgeteilt.
Nein, das mit der neuen Gleichberechtigung, wo plötzlich alle die ganze Zeit alles machen sollten, das hatte Gunvor nie richtig verstanden. Beide sollten gleich viele Teller abspülen und immer abwechselnd den Rasen mähen. Sie konnte doch mit eigenen Augen sehen, wie sehr Tina und Mats kämpfen mussten, um Arbeit, Kinderabholen, Kochen und Putzen unter einen Hut zu kriegen.
Bengt wälzte sich immer noch herum.
»Machst du dir Sorgen?«, fragte sie.
Gunvor schob sich näher an ihn heran und legte eine Hand auf seinen Brustkorb, aber Bengt tat, als würde er es nicht merken, und drehte sich weg.
29
Magdalena ging mit der Kameratasche über der Schulter die Skolgatan entlang. Das EU -Projekt im Haus der Bildung war nicht sonderlich interessant gewesen, aber einen kleinen Artikel würde sie schon zusammenbekommen, auch wenn das Foto nicht spektakulär war: ein lachender Mann vor einem Computer. Wie viele hatte sie davon schon in ihrem Leben gemacht?
In der Jackentasche klingelte ihr Handy. Als Magdalena sah, dass Ludvig anrief, wollte sie das Telefon wieder zurückstecken. Jetzt sag nicht, dass Nils auch dieses Wochenende nicht kommen kann, dachte sie, ehe sie widerwillig den grünen Hörer drückte.
»Hallo, hier ist Ludvig.«
»Ich weiß«, erwiderte sie kurz.
Er klang nervös. Bitte nicht …
»Kommt Nils morgen wie ausgemacht?«
Magdalena atmete aus.
»Ja, natürlich. Er sehnt sich sehr nach dir«, sagte sie.
»Ich habe auch Sehnsucht nach ihm.« Ein paar Sekunden war es still. »Ja, und sonst? Was macht dieser Serienmörder?«
Machen wir plötzlich Smalltalk oder was?, dachte Magdalena. Ich dachte, die Zeit der Höflichkeitsphrasen wäre vorbei.
»Ziemlich viel zu tun. Scheint, als hätten wir hier doch nicht nur über Rotkreuzversammlungen und Hundeausstellungen zu berichten.«
»Das habe ich auch schon gedacht«, meinte Ludvig, »aber offensichtlich hast du trotzdem noch Zeit, dich zu vergnügen.«
»Zeit, mich zu vergnügen?«
Was hatte denn das jetzt zu bedeuten?
»Ich habe gesehen, dass du dir einen Freund zugelegt hast.«
Drei Stunden nachdem ich meinen Beziehungsstatus auf Facebook geändert habe, ruft er mich an, dachte Magdalena.
»Ich dachte, wir wären geschieden, und du würdest jetzt ein Kind mit einer Siebenundzwanzigjährigen bekommen, oder habe ich da irgendwas falsch verstanden?«
»Ich denke hauptsächlich an Nils.«
»Ah, du denkst also an Nils«, sagte Magdalena. »Schon klar. Du spionierst nur wegen Nils auf Facebook hinter mir her.«
»Das wirkt schon ein bisschen – verzweifelt. Glaubst du denn nicht, dass das verwirrend für ihn ist?«
Magdalena seufzte laut, dann sagte sie:
»Ich verstehe, dass es unter deiner Würde ist zu fragen, um wen es sich handelt, und da werde ich mal so nett sein und es dir trotzdem erzählen. Es ist Petter.«
» Der Petter?«
»Ja. Der Petter. Wie du weißt, kennen wir uns ziemlich gut. Und jetzt lege ich auf, bevor ich richtig wütend werde.«
Magdalena drückte das Gespräch weg und steckte das Handy in die Tasche zurück.
Idiot!
Aber zum ersten Mal seit langer Zeit war die Wut nicht unangenehm und paralysierend, sondern fast schön.
Ich muss meine Facebookseite unzugänglich machen, dachte sie.
Nun stand sie vor dem Florenz, wo das Mittagsgeschäft brummte. Alle Fenstertische waren von Gemeindebeamten und Geschäftsleuten besetzt, die Hamburgerteller und gebackene Calzone vor sich stehen hatten. Schlecht gelaunt beschleunigte Magdalena ihren Schritt.
»Hallo, Magdalena.«
Auf dem Bürgersteig vor der Pizzeria stand Jörgen und rauchte. Magdalena hätte ihn
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