Mädchen im Schnee
Christer verstohlen von der Seite an.
Worüber grübelte er nur die ganze Zeit nach?
Als sie durch Munkfors fuhren, rief Petra noch einmal die Landesfunkzentrale an und erhielt die Beschreibung, welchen Weg der Volvo genommen hatte.
»Und wer verfolgt ihn?«, fragte Urban.
»Einer, der bei Statoil arbeitet«, sagte Petra. »Hoffen wir mal, dass er den Ball flach hält, und nicht mehr als unbedingt nötig den Helden spielt. Da vorne muss es sein.«
Sie zeigte auf einen kleinen Zugweg, der fünfzehn Meter entfernt zwischen den Bäumen verschwand.
Christer bog ab.
Jetzt ging es langsamer vorwärts. Der Weg war so schmal und kurvig, dass man höchstens fünfunddreißig Stundenkilometer fahren konnte. Trotzdem musste Christer voll auf die Bremse steigen, als der Weg direkt hinter einer Kurve plötzlich von einem Autowrack blockiert war.
»Oh nein!«
Petra stieg aus und rannte zu dem Auto.
Auf dem Fahrersitz hockte ein junger Mann. Sein Gesicht war blutig, er zitterte.
»Wie geht es Ihnen? Wir sind von der Polizei.«
»I-i-ich komme nicht raus«, stotterte der junge Mann zähneklappernd. »Die Tür klemmt. Es ist so kalt.«
Petra winkte Christer und Urban zu sich. Dann wandte sie sich wieder dem Mann zu.
»Hat Fredrik Anderberg das getan?«
Der junge Mann nickte.
»Wie heißen Sie?«
»Malte.«
»Okay, Malte. Haben Sie große Schmerzen?«
»Ein bisschen, aber mir ist kalt.«
Während Christer und Urban die Tür aufbrachen und Malte halfen, rief Petra den Krankenwagen und ein Abschleppauto an. Malte würde es sicher wieder gut gehen, dachte Petra, wenn er bald in die Wärme kam und die Wunde versorgt würde. Aber wie sollten sie mit ihrem Wagen vorbeikommen, wenn der kaputte Opel im Weg stand?
»Urban, warte du mit Malte im Auto, bis der Krankenwagen kommt. Christer und ich gehen vor und sehen mal, ob wir Anderberg finden können.«
Urban sah sie wütend an, ohne zu widersprechen.
Christer, der den ganzen Tag kaum ein Wort gesagt hatte, schloss an Petras Seite auf und sie gingen an dem Autowrack vorbei den Weg entlang.
»Was ist das nur für ein Idiot«, sagte Petra.
»Urban?«
»Nein, Anderberg. Er muss extrem unter Druck stehen. Wir müssen auf der Hut sein.«
Im Wald war es vollkommen still. Schweigend stapften sie nebeneinanderher.
Nach einem Kilometer lichtete sich der Wald. Vor einem braunen Haus zwischen ein paar verwilderten Apfelbäumen stand ein schwarzer Volvo.
Petra und Christer wechselten einen raschen Blick.
»Bestimmt hat er uns schon gesehen«, sagte Petra. Christer nickte. »Sollen wir reingehen, oder sollen wir auf Verstärkung warten?«
»Wir können auf jeden Fall versuchen, mit ihm zu reden.«
Sie gingen noch ein Stück weiter. Dann rief Christer:
»Anderberg! Hier ist die Polizei! Kommen Sie raus!«
Wenn nicht so viel Schnee gelegen hätte, wären sie einmal um das Haus herumgegangen.
»Kommen Sie raus!«, rief Christer wieder.
Plötzlich bewegte sich etwas am Fenster. Ein paar Sekunden später ging die Tür einen Spaltbreit auf.
Petra und Christer sahen sich erstaunt an.
»Er kommt«, sagte Petra.
Anderberg stieß die Tür auf und betrat mit hängenden Armen und gesenktem Kopf die Veranda.
»Ich habe nichts getan«, sagte er.
»Stellen Sie sich mit dem Rücken an die Wand und bleiben Sie ganz still stehen«, forderte Christer ihn auf.
Nachdem Anderberg Folge geleistet hatte, stiegen Petra und Christer die Treppe hinauf.
»Ich sage kein Wort ohne meinen Anwalt, nur dass ihr’s wisst«, sagte Fredrik Anderberg, als Petra ihm die Handschellen anlegte. »Kein Wort.«
30
Kennet Bäck, Fredrik Anderbergs Anwalt, nahm in zerknittertem Anzug und mit roter Lesebrille neben seinem Klienten Platz.
Als Petra bei der Polizei von Hagfors anfing, hatte sie es etwas seltsam gefunden, dass es im Haus keine richtigen Verhörzimmer gab, sondern dass alles, von der Anzeigenaufnahme bis hin zum Verhör von Straftätern, im eigenen Büro zu geschehen hatte. Inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt, wenn es auch in manchen Fällen ein ungutes Gefühl war, dass die Familienbilder für alle sichtbar auf dem Schreibtisch standen. Schnell rückte sie die Fotorahmen zurecht, damit weder Fredrik Anderberg noch Kennet Bäck sie von vorn sehen konnten.
»So«, sagte sie und schaltete das Aufnahmegerät ein. »Das Verhör mit Fredrik Anderberg, verdächtig des Mordes an Hedda Losjö. Heute ist Freitag, der 27 . Januar, sechzehn Uhr zweiunddreißig. Das Verhör leitet Petra
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