Mädchen im Schnee
Küchenstühle fallen. »Er ist gestern von zu Hause weg.«
»Nachdem er das da gemacht hat?«, fragte Petra und zeigte auf ihr Auge.
Camilla nickte und sah aus dem Fenster.
»Er wurde sauer, als ich erzählt habe, dass Sie hier waren und ich gesagt habe, dass er am Silvesterabend weg war, um Snus zu kaufen.«
»Hat er das schon öfter gemacht?«
Nach ein paar Sekunden nickte Camilla, das Gesicht immer noch zum Fenster gewandt.
»Sie sollten ihn anzeigen«, sagte Petra.
Camilla schüttelte den Kopf.
»Dann wird es nur noch schlimmer«, sagte sie mit leiser Stimme.
Petra wollte sie nicht drängen, sondern sagte stattdessen:
»Der Grund, warum wir hier sind, ist, dass sich herausgestellt hat, dass Fredrik und Hedda während der Weihnachtsfeiertage einander Mails geschickt haben, und das, obwohl Fredrik gesagt hat, er habe seit dem Herbst keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt. Sie müssten selbst auch eine Mail von ihr bekommen haben.«
Camilla fuhr sich mit dem Daumen über die langen Strassnägel und antwortete schnell:
»Ich habe keine Mail bekommen.«
»Nein?«, fragte Petra.
Camilla schüttelte den Kopf.
»Wussten Sie, dass Fredrik und Hedda Losjö sich nicht nur kannten, sondern auch ein Verhältnis miteinander hatten?«
Camilla schüttelte wieder den Kopf.
Seltsam, dachte Petra. Als wir das letzte Mal hier waren, schien es so, als wüsste sie es, obwohl wir nichts gesagt haben.
»Und jetzt glauben Sie, dass Fredrik ihr irgendwas angetan hat?«, fragte Camilla und sah auf den Tisch hinunter.
Sie drückte zerstreut auf einer eingetrockneten Maisflocke herum, die auf der Tischplatte klebte. Kleine Stücke lösten sich und flogen weg.
»Das ist schwer zu sagen, aber wir müssten trotzdem ein paar Dinge mit ihm besprechen. Sie wissen nicht zufällig, wo er sein könnte?«, fragte Christer.
Camilla schüttelte immer noch den Kopf.
»Ich weiß, dass er im Sommer einen Wohnwagen am Nain stehen hatte. Ist der da noch?«, fragte Petra.
Camilla sah von ihrem kleinen Cornflakesprojekt auf und sagte: »Nein, im Winter ist er bei seinem Vater. Der hat ein großes Grundstück, auf dem alle möglichen komischen Sachen herumstehen, verrostete Autos, die nicht mehr anspringen und Traktoren ohne Räder. Das sieht bei dem aus wie ein Schrotthandel. Begreife nicht, wie man so leben kann. Eigentlich ist das nämlich ein schönes Grundstück mit Wiesen und Stall und so.«
»Verstehe«, sagte Petra. »Haut Fredrik immer ab, wenn Sie sich gestritten haben?«
»Das kommt vor. Aber normalerweise ruft er nach einer Weile an und bittet um Entschuldigung.«
»Könnte es sein, dass er zu seinem Vater gegangen ist?«, fragte Christer.
»Glaube ich nicht, aber was weiß ich?«
»Und ein anderer Ort fällt Ihnen nicht ein?«
Camilla schüttelte den Kopf.
»Bitte rufen Sie uns an, wenn Sie eine Idee haben. Es ist sehr, sehr wichtig«, sagte Petra und stand auf. »Und Sie sind ganz sicher, dass Sie keine Mail von Hedda Losjö bekommen haben?«
»Ganz sicher.«
Als Magdalena sah, wie vereist das Redaktionsauto war, beschloss sie, zu Fuß zum Älvstrands-Gymnasium zu gehen. Es war zwar kalt, aber wenn sie schnell ging, konnte sie in fünf Minuten dort sein. Sie zog sich den Schal über die Nase und ging, so schnell sie konnte. Trotzdem erschien ihr der Geijersholmsvägen unendlich lang.
Als sie endlich in der Schule ankam, schmerzten ihre Wangen von der Kälte, und auf der Innenseite des Schals hatte sich Eis gebildet.
Die Cafeteria der Schwimmhalle war voller Schüler, die Weihnachtsferien hatten. Magdalena musste beiseitespringen, um nicht in einen improvisierten Boxkampf zwischen zwei breitschultrigen Jungen in Eishockey-Pullovern zu geraten. Auf einer an der Wand befestigten Bank saß ein Mädchen mit knallgrünen Haaren, die so tief in ihr Handy versunken war, dass sie nicht auswich, als die beiden Streithähne vorbeikamen, und einen Ellenbogen in die Seite bekam.
»Verdammt, hört auf! Wie alt seid ihr eigentlich?«
Nach einem wütenden Blick auf die Jungen, die gar nichts merkten, widmete sie sich wieder ihrem Telefon.
Magdalena war plötzlich erleichtert, weil sie erwachsen war ein paar Entscheidungen bereits getroffen hatte. Zwar war nicht alles so gekommen, wie sie es sich erträumt hatte, aber dennoch. Allein hier in der Cafeteria zu stehen verursachte ihr ein unangenehmes Gefühl. So viele Möglichkeiten, so viel Unruhe.
»Entschuldigung«, sagte sie zu dem grünhaarigen Mädchen, »ich komme vom
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