Mädchen im Schnee
bog dann auf die Straße nach Hagfors. Nils schaute geradeaus, und es fiel ihr schwer, seinen Gesichtsausdruck zu deuten.
»Wie war denn dein Wochenende?«
»Gut.«
»Was habt ihr gemacht?«
»Weiß nicht mehr.«
Magdalena lachte, als hätte Nils etwas sehr Lustiges gesagt.
»Du weißt es nicht mehr? Seid ihr zum Junibacken gefahren?«
»Nö.«
»Bist du deshalb traurig, weil ihr nicht hingefahren seid?«
»Nö.«
»Ich merke aber doch, dass du traurig bist. Was ist denn los?«
»Nichts.«
»Bist du vielleicht einfach müde?«
Magdalena grinste höhnisch über sich selbst. Wenn ich es nicht mehr aushalte, dann lege ich meinem Kind nicht nur Worte in den Mund, sondern suche mir auch noch die allereinfachste Möglichkeit aus. Und das, wo ich gehofft hatte, dass in Sachen Scheidung und Umzug das Schlimmste überstanden wäre. Geliebter Junge, dachte sie und schielte aus dem Augenwinkel zu Nils’ verschlossenem Gesicht. Was habe ich dir da nur aufgebürdet?
Als Nils im Bett war und Magdalena die Kleider rausgesucht hatte, die er am nächsten Morgen anziehen sollte – gestreifte lange Unterhosen, Jeans und einen langärmeligen blauen Pullover mit einem großäugigen Hai auf der Brust –, setzte sie sich an den Küchentisch, machte den Laptop an und loggte sich auf ihrem Hotmailkonto ein.
Sie hatte eine neue Nachricht bekommen. Von Facebook.
»Du hast eine Freundschaftsanfrage von Petter Björkman.«
Magdalena starrte auf den Satz und las ihn wieder und wieder.
»Du hast eine Freundschaftsanfrage von Petter Björkman. Du musst bestätigen, dass du Petter kennst, damit ihr in Facebook Freunde werden könnt.«
Ob wir uns kennen?, dachte Magdalena und klickte auf den Facebook-Link. Doch, das konnte man wohl sagen.
Magdalena betrachtete noch einen Augenblick lang den Bestätigungs-Button. Dann klickte sie schnell darauf, geradeso, als hätte sie Angst, sie würde sich nicht trauen.
Dann war sie schnell auf Petters Seite gegangen und hatte den Profil-Reiter angeklickt. Geboren am 25 . August. Wohnort: Hagfors, Sweden. Beziehungsstatus: Single.
Magdalena schluckte und kauerte sich vor den Bildschirm.
Single.
Es gab da auch drei Fotoalben. Das erste, das sie sich ansah, hieß »Sommer am Rådasjön«.
Seine Eltern besaßen tatsächlich immer noch die kleine Hütte am Seeufer. Sie erinnerte sich noch an die Wiese am Wasser, die harten Kiefernzapfen, die man einsammeln musste, ehe man sein Badehandtuch hinlegte, und das Geräusch von kleinen Motorbooten, die gelegentlich draußen auf dem See vorüberfuhren. Sie konnte sich nicht entsinnen, je so glücklich gewesen zu sein wie während der einsamen Tage, die sie dort zusammen verbracht hatten. Die Entenfamilie, die jeden Vormittag gleich nach dem Frühstück zur Veranda hinaufgewatschelt kam. Sonnenöl mit Kokosduft. Das späte Bad am Abend, wenn schon Nebelschleier über dem See hingen.
Und da stand er auf dem Steg mit der Wurfangel in der Hand und lächelte entspannt in die Kamera, während er die Schnur einrollte. Wer das Bild wohl gemacht hatte? Magdalena merkte zu ihrem eigenen Ärger, dass sie ein bisschen eifersüchtig war.
Schnell klickte sie auf das nächste Album, »Der Bau«, das Vorher-nachher-Bilder von einer umfangreichen Haus renovierung enthielt. Da gab es Wände mit Außenisolierung und aufgerissene Fußböden, eine Küche ohne Spüle und Schränke.
»Die Mädchen« enthielt ein Dutzend Bilder von den Zwillingstöchtern in unterschiedlichen Altersstufen. Auf einem Bild lagen sie zusammen in einem Bett, wie kleine Bohnen in der Schale einander zugewandt, den Hosenbund unter den Achseln. Auf einem anderen saß jede auf ihrem Töpfchen, und sie lachten, dass die Mausezähnchen zu sehen waren. Auf einem dritten Bild lag Petter mit einer Tochter in jedem Arm in einer Hängematte. Er hatte dem Mädchen zur Rechten das Gesicht zugewandt, als würde er den beiden etwas erzählen. Beide sahen aus, als würden sie aufmerksam zuhören. Um den Hals trug er eine Kette aus bunten Indianerperlen.
Magdalena bekam heiße Wangen.
Nein, ich muss jetzt schlafen gehen, dachte sie. Schon Viertel nach elf! Während sie da zusammengekauert gesessen und eingehend die Bilder betrachtet hatte, war die Zeit davongelaufen.
Ehe sie den Computer ausschaltete, ging sie noch mal in ihren Mailaccount.
Eine neue Nachricht. Wieder von Facebook.
Petter Björkman hatte ihr Foto kommentiert. »Hübsches Bild!«
Ehe Magdalena den Computer ausschaltete, ging sie auf
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