Mädchen im Schnee
hievte sich, auf den Rollator gestützt, vom Bett hoch. »Bisher schaffe ich das noch gut.«
Er betrachtete die schwarzen Säcke, die vor dem großen Schlafzimmerschrank in einer Reihe standen. Mehrere Stunden lang hatten sie zusammen gearbeitet. Sie hatte ein Kleidungsstück nach dem anderen herausgeholt, und er hatte entschieden, ob es aufgehoben oder weggeworfen werden sollte. Das meiste war ohne große Sentimentalitäten in den Müllsäcken gelandet. Sogar die geblümten Kleider von Wera.
»Es ist wohl an der Zeit«, hatte er gemurmelt, als Jeanette sie von ihren Bügeln genommen hatte.
Was übrig blieb, passte in die beiden Schränke direkt am Fenster.
Jeanette ging voraus in die Küche und goss Wasser und Kaffeepulver in den Perkolator.
»Bevor ich heute hergefahren bin, habe ich Brownies gebacken«, sagte sie, machte den Deckel von einem alten Vorratsglas ab und legte ein paar Stücke auf einen Teller. »Das Rezept von Oma.«
»Es ist so lieb von dir, dass du mir so viel hilfst.«
Tore setzte sich auf seinen Platz am Tisch.
»Natürlich helfe ich dir. Ich habe doch nur einen Opa.«
Jeanette leckte die Schokoladenglasur ab, die an ihrem Zeigefinger klebte. Tore lächelte sie an.
»Und ich habe nur eine Nettan.«
»Wie fühlt sich das jetzt an mit dem Umzug?«, fragte Jeanette und stellte Tassen und Teller auf den Tisch.
»So so, la la. In der letzten Zeit denke ich öfter, dass es wohl ganz schön wird. Hier ist ziemlich viel los im Haus, mehr als früher, als hier noch richtige Leute wohnten. Und oben drüber ist viel Lärm.«
Tore zeigte zur Decke.
»Was meinst du? Laute Musik?«
Jeanette goss Kaffee ein, stellte den Perkolator auf die Spüle zurück und setzte sich.
»Nein, sie schreien und streiten inzwischen fast jeden Tag. Ich glaube auch, dass sie sich schlagen.«
»Vielleicht solltest du mal die Polizei rufen.«
Jeanette klang besorgt.
»Das habe ich auch schon gedacht, aber ich weiß nicht recht. Man will sich ja auch nicht unnötig einmischen. Und schließlich wohne ich allein hier.«
Jeanette hielt Tore den Kuchenteller hin, und er nahm sich.
»Aber wenn es so klingt, als würden sie sich schlagen, dann ist das ja wohl nicht unnötig.«
Tore sah aus dem Fenster und kaute bedächtig.
»Nein, du hast recht«, sagte er nach einer Weile. »Wenn ich das nächste Mal etwas Komisches von da oben höre, werde ich die Polizei anrufen.«
»Gut, Opa. Soll ich die Nummer für dich raussuchen?«
»Das wäre nett.«
Jeanette ging zur Arbeitsfläche, zog mit beiden Händen die lange Schublade auf und holte das Telefonbuch heraus, das da lag, wo es schon immer gelegen hatte, neben Plastiktüten und Gummiringen. Als sie die Nummer gefunden hatte, riss sie einen Zettel aus einem Notizblock in derselben Schublade und schrieb sie mit großen, deutlichen Ziffern auf.
»Hier ist die Nummer von der Polizei in Hagfors, Opa. Aber wenn es eilig ist, dann musst du die 112 anrufen.«
Jeanette legte den Zettel neben Tores Tasse, trank ihren Kaffee im Stehen aus und begann abzuräumen.
»Ich komme nächsten Sonntag wieder, und dann machen wir weiter. Sollen wir uns dann die Küche vornehmen, oder lieber den Wohnzimmerschrank?«
»Das kannst du entscheiden.«
Tore mochte gar nicht daran denken. Wenn es nur erledigt wurde, alles andere war egal.
Jeanette ging in den Flur und holte ihre Jacke, in die sie in der Küchentür schnell hineinschlüpfte.
»Kommst du klar?«
»Weißt du doch, weißt du doch.«
Er hätte so gern gehabt, dass sie noch ein Weilchen bliebe, aber sie hatte so viel zu erledigen.
»Dann sehen wir uns Sonntag. Ich lasse unter der Woche von mir hören. Und versprich mir, dass du die Polizei anrufst, wenn du noch mehr Streit hörst.«
»Das verspreche ich.«
Wenn es nur ruhig bleibt, dachte er.
Magdalena saß zusammengekauert auf dem Sofa, die Daunendecke um die Schultern und den Daumen im Henkel der Teetasse. Durch das Fenster konnte sie Christer mit einer großen Schaufel oben auf Gunvors und Bengts Garagendach kämpfen sehen. Sie hatte ihm zugewinkt, aber er hatte nur kurz zurückgenickt.
Magdalena nahm einen Schluck Tee und sah auf die Straße hinaus. Der Iglu von Nils und Melvin war in der Nacht zusammengefallen, und im Laufe des Vormittags waren große Placken Schnee vom Hausdach gerutscht.
Sie nahm noch einen Schluck, stellte den Becher ab und schlang die Arme um die Beine. Ihr wurde übel vor Scham, wenn sie daran dachte, was sie im Taxi alles geplappert hatte.
Ich
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