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Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Titel: Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Muriel Spark
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hatte.
    Inspiriert von einem weiteren Geistesblitz lud Jane ihn zum Dinner in den May of Teck Club ein. Er nahm an, mit betonter Bescheidenheit, offensichtlich aus Rücksicht auf sein Buch. Es war schon von zehn Verlegern abgelehnt worden, wie die meisten Bücher, die bei George landeten.
    Sein Besuch hob Jane im Ansehen des Clubs. Sie hatte nicht erwartet, daß er so lebhaft auf alles reagieren würde. Während er zusammen mit Jane, Selina, der dunklen kleinen Judy Redwood und Anne schwarzen Nescafe im Salon schlürfte, hatte er sich mit einem schwachen zufriedenen Lächeln umgesehen. Jane hatte ihre Gefährtinnen für diesen Abend mit dem sicheren Instinkt einer erfahrenen Kupplerin ausgewählt, und der sichtliche Erfolg, den sie damit hatte, ließ sie das schließlich fast bedauern. Zum anderen beglückwünschte sie sich dazu, da sie nach einigen Gerüchten nicht sicher gewesen war, ob Nicholas nicht Männer bevorzugte. Jetzt schloß sie, daß er zumindest beide Geschlechter zu schätzen wußte. Selinas lange und unübertreffliche Beine waren diagonal vor dem tiefen Sessel angeordnet, in dem sie lässig hingerekelt saß, in der deutlichen Haltung einer Frau, die genau weiß, daß sie es sich als einzige in diesem Kreise leisten konnte, sich so zu rekeln. Irgend etwas an Selinas Rekelei verlieh ihr eine fast königliche Überlegenheit. Sie war offensichtlich angetan von Nicholas, während dieser hier und da einen Blick auf die verschiedenen Gruppen schwatzender Mädchen im Raum warf. Die Tür zur Terrasse stand weit offen und ließ die kühle Nacht herein.
    Plötzlich drang vom Aufenthaltsraum her über die Terrasse die Stimme Joannas, die eine Rezitationsstunde gab.
     
    Ich dacht’ an Chatterton, den wunderbaren
    Knaben,
    Schlaflose Seele, die am Stolz zerbrach;
    Gedachte sein, der froh des Ruhmes Gaben,
    Am Hang des Bergs dem Pfluge folgte nach;
    Der eigne Geist macht uns zu Göttern. Ach,
    Ihr Dichter, die im Jugendglück ihr lachtet,
    Ihr endet in Verzweiflung einst umnachtet!
     
    «Ich wünschte, sie würde beim ‹ Schiffbruch der Deutschland› bleiben», meinte Judy Redwood. «Hopkins liegt ihr am besten.»
    «Vergiß nicht den Akzent auf ‹Chatterton› und die kleine Pause danach», vernahm man Joannas Stimme.
    Und ihre Schülerin rezitierte:
     
    Ich dacht’ an Chatterton, den wunderbaren
    Knaben …
     
    Die Erregung über den Fensterspalt hielt auch am Nachmittag noch an. Janes geistige Arbeit mußte sich gegen die Geräuschkulisse der Stimmen behaupten, die aus den Waschräumen kamen, wo die Toiletten lagen. Die beiden anderen Bewohnerinnen der obersten Etage, Dorothy Markham, die verarmte Nichte von Lady Julia Markham, die Vorsitzende im Verwaltungskomitee war, und Nancy Riddle, eine der vielen Pfarrerstöchter im Club, waren von ihrem ländlichen Wochenende bei ihren Familien zurückgekehrt. Nancy versuchte ihren Midland-Akzent loszuwerden und nahm aus diesem Grund Rezitationsunterricht bei Joanna.
    Jane, über ihre geistige Arbeit gebeugt, vernahm aus der Richtung der Waschräume, daß Dorothy Markham das Fenster mit Erfolg durchkrochen hatte. Dorothys Hüften maßen 91 Zentimeter, ihr Brustumfang betrug nur 78 Zentimeter, ein Umstand, der sie nicht weiter bekümmerte, da sie einen von drei jungen Männern aus ihrer weitläufigen Bekanntschaft zu ehelichen gedachte, der sich zufällig zu knabenhaften Figuren hingezogen fühlte. Und obgleich sie über diese Dinge nicht so genau Bescheid wußte wie ihre Tante, wußte Dorothy doch immerhin, daß ihre hüft- und busenlose Gestalt immer eine gewisse Sorte junger Männer anziehen würde, die das ganz gern hatten. Dorothy war imstande, zu jeder Stunde des Tages und der Nacht einen Wasserfall von Debütantinnengeplauder hervorzusprudeln, das mit Recht den Eindruck hervorrief, sie denke über alles, was sich zwischen Reden, Essen und Schlafen ereignete, überhaupt nicht nach oder wenn, dann nur in Form der für sie charakteristischen Satzfetzen wie: «Lausiger Lunch!», «Sagenhafte Hochzeit!», «Er hat sie richtig vergewaltigt – sie war sprachlos!», «Scheußlicher Film!», «Mir geht’s hoffnungslos gut – danke, und dir?»
    Ihre Stimme aus dem Waschraum lenkte Jane ab: «Pfui Teufel – ich bin schwarz vor Ruß, geradezu kollossiv schmutzig!» Sie öffnete Janes Tür ohne anzuklopfen und steckte den Kopf hinein. «Hast du irgend etwas Seifiges?» Das geschah ein paar Monate, ehe sie wieder den Kopf zu Jane hineinsteckte, um zu verkünden:

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