Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten
späteren Bekanntschaft kultivieren oder sich lieber an Nicholas halten sollte. Sie brachte beides fertig, da Nicholas diesen dunklen heiseren Poeten und künftigen Börsenmakler zur anschließenden Party mitbrachte und Jane eine Verabredung mit ihm treffen konnte, ehe Nicholas sie beiseite zog, um sie weiter nach den Geheimnissen des May of Teck Club auszufra gen.
«Es ist ganz einfach ein Heim für junge Mädchen», meinte sie, «mehr ist nicht dahinter.»
Bier wurde in Marmeladegläsern gereicht, was im höchsten Maße albern war, denn Marmeladegläser waren zu der Zeit schwerer zu bekommen als richtige Gläser oder Becher. Das Haus, in dem die Party stattfand, lag in Hampstead. Es war zum Ersticken voll. Die Gastgeber, so erklärte Nicholas, seien kommunistische Intellektuelle. Er führte Jane zu einem Schlafzimmer hinauf, wo sie sich auf die Kante eines ungemachten Bettes setzten und auf den nackten Fußboden starrten, Nicholas in philosophischer Ermattung und sie mit der Begeisterung einer frisch in die Boheme Eingeweihten. Die Leute hier im Hause seien ohne jeden Zweifel kommunistische Intellektuelle, sagte Nicholas, was sich aus der Vielfalt der Medizinen gegen Magenstörungen auf dem Bord im Badezimmer schließen lasse. Er versprach, sie ihr zu zeigen, sobald sie wieder zu der übrigen Party hinuntergingen, denn die Gastgeber wollten ihre Gäste keinesfalls persönlich kennenlernen. «Erzählen Sie mir etwas von Selina», sagte Nicholas.
Jane hatte ihr dunkles Haar nach oben gesteckt, sie hatte ein großflächiges Gesicht. Das einzig Attraktive an ihr war ihre Jugend und ein gewisser Mangel an geistiger Erfahrung, dessen sie sich noch nicht bewußt war. Sie hatte im Augenblick ganz vergessen, daß es ihre Aufgabe war, Nicholas’ literarisches Selbstbewußtsein so weit wie möglich zu dämpfen und benahm sich verräterischerweise so, als sei er wirklich das Genie, das er – in dem Brief an Charles Morgan, den sie für ihn, noch ehe die Woche um war, fälschen mußte – zu sein beanspruchte. Nicholas hatte beschlossen, so freundlich wie möglich zu Jane zu sein – ohne allerdings mit ihr zu schlafen –, um zwei Vorhaben durchzusetzen: die Veröffentlichung seines Buches und einen möglichst innigen Umgang mit dem May of Teck Club im allgemeinen und mit Selina im besonderen. «Erzählen Sie mir noch etwas von Selina.» Jane merkte es weder dann noch später, daß er seit seinem ersten Besuch im May of Teck Club ein poetisches Bild von diesem in sich trug, das seine Vorstellung reizte und ihn drängte, mehr Einzelheiten zu erfahren, so wie er jetzt Jane bedrängte. Sie wußte nichts von seiner Langeweile und seinem gesellschaftlichen Unbehagen, und sie war weit davon entfernt, im May of Teck Club den Mikrokosmos einer wünschenswerten Gesellschaft zu sehen. Das nach Shilling bemessene Dasein, das jedes normale Mädchen als vorübergehend betrachtet hätte – bis sich eben eine bessere Gelegenheit bot –, hatte für Jane nichts von der schönen unbekümmerten Armut eines goldenen Zeitalters.
Ein Mädchen mit der Harfe: Bild
Das ich dereinst im Traum ersah:
Es war ein abessinisch Kind.
Der Nachtwind hatte die Stimme in den Salon getragen.
«Erzählen Sie mir etwas über die Rezitationslehrerin», sagte Nicholas gerade.
«Ach, Joanna, Sie müssen sie kennenlernen.»
«Erzählen Sie mir, wie Sie sich gegenseitig Ihre Kleider ausleihen.»
Jane sann darüber nach, was sie wohl gegen die Auskünfte, die Nicholas zu wünschen schien, einhandeln könnte. Die Party ging unten ohne sie weiter. Der nackte Fußboden unter ihren Füßen und die fleckigen Wände schienen kein Versprechen zu enthalten, daß sie am nächsten Tag einen Erinnerungswert haben würden.
«Wir müssen gelegentlich über Ihr Buch sprechen. George und ich haben eine ganze Reihe von Fragen.»
Nicholas rekelte sich auf dem ungemachten Bett und dachte ganz nebenbei daran, daß er wohl einige Abwehrmaßnahmen planen müsse. Sein Marmeladeglas war leer. «Erzählen Sie mir noch etwas von Selina. Was tut sie sonst noch, abgesehen davon, daß sie Sekretärin bei einem Schwulen ist?»
Jane war nicht sicher, wie weit sie betrunken war und konnte sich nicht entschließen aufzustehen, wobei es sich ja gezeigt hätte. «Kommen Sie doch Sonntag zum Lunch», sagte sie. Ein Lunch am Sonntag für einen Gast kostete zweieinhalb Shilling extra. Aber sie dachte sich, daß Nicholas sie vielleicht noch zu weiteren Parties im intimen Kreis der
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