Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten
gleichen Zeit sein», hörte man die graue Clubleiterin im Konversationston zur grauhaarigen Greggie sagen, die an ihrem Tisch saß.
«Das eben macht uns das Leben halbwegs erträglich», bemerkte Jane zu ihren Tischgenossen.
«Das ist ein höchst origineller Gedanke», sagte der amerikanische Oberst, dabei bezog er sich allerdings auf etwas, das Nicholas vorher gesagt hatte, als sie über die politischen Ansichten des May of Teck Club gesprochen hatten.
«Man sollte sie dazu anhalten, überhaupt nicht zu wählen, ich meine, man sollte sie dazu überreden», hatte Nicholas vorgeschlagen. «Wir brauchen keine Regierung. Wir könnten uns mit der Monarchie einrichten, das Unterhaus, das …»
Jane sah gelangweilt aus. Gerade diese Stelle hatte sie schon mehrmals in seinem Manuskript gelesen. Sie wollte über Leute reden, was ihr immer weitaus mehr Vergnügen bereitete als irgendein unpersönliches Gespräch, wie leicht und anregend es auch sein mochte – eine Neigung, die sich allerdings ihr strebsamer Verstand noch nicht gern eingestehen mochte. Erst als Jane den Gipfel ihrer Karriere als Reporterin und Interviewerin der größten Frauenzeitschrift erreicht hatte, fand sie ihre eigentliche Rolle im Leben, und während sie bis dahin irrigerweise dem Glauben anhing, selbständig denken zu können, bewies sie in dieser Beschäftigung jedenfalls eine gewisse Befähigung dazu. Jetzt aber saß sie mit Nicholas bei Tisch und wünschte sehnlichst, er möge sein Gespräch mit dem Oberst beenden, das sich über die Möglichkeiten verbreitete, wie man den May of Teck- Mädchen am besten mit politischen Reden beikommen könnte und über die verschiedenen Einflüsse, die geeignet seien, sie zu korrumpieren. Jane hatte ein schlechtes Gewissen, daß sie sich langweilte. Selina hingegen lachte mit Haltung, als Nicholas fortfuhr: «Wir brauchten keine zentrale Regierung. Sie ist nur schädlich für uns, und was noch schlimmer ist, auch schädlich für die Politiker …»
Der Oberst schien nicht daran zu zweifeln, daß Nicholas es ernst meinte – so ernst, wie es sein Sinn für Selbstironie überhaupt zuließ –, und er versicherte ihm erstaunlicherweise: «Gareth, meine Frau, ist auch Mitglied des Moralwart-Bundes in unserer Stadt. Sie ist sehr eifrig.»
Nicholas erinnerte sich, daß Haltung vollkommenes Gleichgewicht bedeutet und nahm diese Bemerkung als durchaus sinnvolle Antwort auf seine Äußerung hin. «Wer sind die Moralwarte?» fragte er.
«Sie treten ein für die Ideale der Reinheit in der Familie. Sie achten besonders auf den Lesestoff. Es gibt viele Familien in unserer Stadt, die nichts lesen würden, was nicht das Siegel der Moralwarte trägt.»
Nicholas begriff endlich, daß der Oberst ihn für jemanden hielt, der Ideale hatte und diese also mit den Idealen seiner Frau Gareth in Verbindung brachte, da sie die einzigen waren, die ihm unmittelbar zur Hand waren. Nur so ließ es sich erklären. Jane wollte alles richtigstellen und sagte: «Nicholas ist Anarchist.»
«Aber nein, Jane», meinte der Oberst, «das wäre doch ein bißchen hart Ihrem schreibenden Freund gegenüber.»
Selina war sich bereits darüber klar, daß Nicholas über gewisse Dinge unorthodoxe Ansichten hegte, und dies in einem Maße, daß die Leute, mit denen sie umzugehen gewohnt war, sie zweifellos für verstiegen halten würden. Sie spürte, daß seine Originalität auch seine Schwäche war, und eben diese Schwäche in einem anziehenden Mann machte ihn für sie begehrenswert. Es gab in ihrer Bekanntschaft zwei weitere Männer, die eine ähnliche Achillesferse hatten. Allerdings fand sie kein perverses Vergnügen daran, da es sie nicht reizte, sie zu verletzen; wenn sie es doch tat, geschah es unbeabsichtigt. Was ihr vor allem an diesen beiden Männern gefiel, war, daß keiner von beiden sie ganz besitzen wollte. Daher schlief sie mit beiden glücklich. Sie hatte noch einen anderen Freund, einen sehr reichen Geschäftsmann von fünfunddreißig, der immer noch in der Armee und keineswegs schwach war. Er war in jeder Beziehung fordernd, und Selina überlegte sich, ob sie ihn am Ende heiraten sollte. Vorläufig aber betrachtete sie noch Nicholas, der diesen leicht irren Dialog mit dem Oberst führte und dachte, daß er ihr sehr gelegen käme.
Dann saßen sie im Salon beisammen und machten Pläne für den Nachmittag, die auf einen Ausflug zu viert im Wagen des Obersten hinausliefen, der inzwischen darauf bestanden hatte, Felix genannt zu
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