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Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Titel: Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Muriel Spark
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genommenes Aufnahmegerät konzentrieren. Er sah voraus, daß die beiden Frauen, da sie nun einmal in Schwung gekommen waren, kein Ende mehr finden würden.
    «Bitte, die Tür öffnen.» Hinter der Tür ertönte die Stimme der Clubleiterin und das Klirren des Kaffeegeschirrs. Ehe noch Nicholas aufspringen konnte, um sie zu öffnen, war die Clubleiterin schon, mit Hand und Fuß wie eine gelernte Bedienerin geschickt manövrierend, ins Zimmer eingedrungen.
    «Die Vision von der ‹ewigen Seligkeit› erscheint mir jedenfalls nicht als angemessener Ersatz für das, was uns abgeht», bemerkte Greggie abschließend mit einem persönlichen Hieb auf Collies Frömmigkeit.
    Während der Kaffee gereicht wurde und die Mädchen allmählich das Zimmer füllten, kam Jane herein. Erfrischt und gewissermaßen freigesprochen durch das Telefongespräch mit Tilly, übergab sie Nicholas das Ergebnis ihrer geistigen Arbeit, den Brief von Charles Morgan. Während er las, reichte ihm jemand eine Tasse Kaffee. Er griff zu und spritzte dabei ein paar Tropfen Kaffee auf den Brief.
    «Oh, nun hast du ihn verdorben», rief Jane aus, «und ich muß ihn noch einmal schreiben.»
    «Jetzt sieht er nur noch echter aus», sagte Nicholas. «Es ist doch ganz einleuchtend, daß ich, wenn ich einen Brief von Charles Morgan bekomme, in dem steht, ich sei ein Genie, ihn immer wieder und wieder lese. Im Laufe der Zeit muß der Brief ja ein bißchen mitgenommen aussehen. Bist du ganz sicher, daß George von Morgans Namen beeindruckt sein wird?»
    «Sehr», sagte Jane.
    «Meinst du, daß du sehr sicher bist oder daß George sehr beeindruckt sein wird?»
    «Beides.»
    «An Georges Stelle wäre ich außer mir.»
    Die Rezitation des ‹ Schiffbruchs der Deutschland› sollte gleich beginnen. Joanna stand schon mit dem Buch bereit.
    «Kein ‹Pst› von irgend jemand», sagte die Clubleiterin und meinte damit ‹keinen Laut› –, «kein Pst», sagte sie, «denn dieses Instrument von Mr. Farringdon registriert offenbar selbst eine Stecknadel, die zu Boden fällt.»
    Eins der Schlafsaal-Mädchen, das gerade eine Laufmasche in einem Strumpf aufnahm, ließ absichtlich eine Nadel auf das Parkett fallen, bückte sich und hob sie wieder auf. Ein anderes Schlafsaal-Mädchen prustete daraufhin unterdrückt los. Sonst aber war es still, man hörte nur das leise Surren des Bandgeräts, das auf Joannas Einsatz wartete:
     
     
    Du der mich hält
    Gott! Spender von Odem und Brot;
    Schwall des Meers du und Strand du der Welt;
    Herr über Leben und Tod;
    Du hast vereinigt Gebein mir und Adern,
    befestigt mir Fleisch
    Und hernach fast zerstört …

 
     
     
     
     
     
    8
     
     
    Ein Schreckensschrei drang vom obersten Stock durch das Haus, als Jane am Freitag, dem 27. Juli, in den Club zurückkehrte. Sie war früh aus dem Büro fortgegangen, um Tilly im Club zu treffen. Sie hatte nicht das Gefühl, daß der Panikschrei irgend etwas Besonderes bedeuten könnte, aber als sie den letzten Treppenabsatz erreicht hatte, ertönte ein neuer durchdringender Schrei, den aufgeregte Stimmen begleiteten. Ursache solcher Schreckensschreie im Club konnte eine Laufmasche sein oder auch ein zwerchfellerschütternder Witz.
    Als sie oben auf dem Flur angekommen war, sah sie, daß die Aufregung aus der Toilette kam. Dort bemühten sich Anne und Selina, gemeinsam mit zwei Schlafsaal-Mädchen, ein anderes Mädchen aus dem Fensterspalt herauszuziehen. Offensichtlich hatte es versucht hinauszuklettern und war steckengeblieben. Angespornt von den verschiedenen Ratschlägen der übrigen Mädchen strampelte und stieß es ohne jeden Erfolg um sich und schrie, allen ernsthaften Ermahnungen zum Trotz, von Zeit zu Zeit laut auf. Es hatte für dieses Experiment die Kleider ausgezogen und seinen Körper mit irgendeiner fettigen Substanz eingerieben. Jane hoffte im selben Augenblick, daß nicht ihr eigener Vorrat an Fettcreme, der in einem Töpfchen auf ihrem Toilettentisch stand, dazu benutzt worden war.
    «Wer ist es denn?» wollte sie wissen und betrachtete mit scharf prüfendem Blick die um sich stoßenden Beine und das sich windende Hinterteil des Mädchens – das einzige, was von ihm sichtbar war, sich aber nicht identifizieren ließ. Selina brachte ein Handtuch, das sie mit einer Sicherheitsnadel um die Taille des Mädchens befestigen wollte. Anne flehte das Mädchen immer wieder an, nicht zu schreien, und eine andere spähte vom Treppenabsatz über das Geländer hinunter, in der Hoffnung, daß

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