Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
Adoption aus Estland, die angeblich im November stattgefunden haben soll. Aber so spät im Jahr sind gar keine Adoptionen mehr möglich.«
»Warum nicht?«, wollte Dani wissen.
»Weil es dann keine Kinder mehr zu adoptieren gibt. Die estnische Regierung hat die Zahl der Auslandsadoptionen in die Vereinigten Staaten begrenzt, und diese Quote ist in der Regel bereits im Mai erschöpft. Ein estnisches Baby im November? Nie im Leben.«
Dani sah erst Mitch, dann Robin an. »Können Sie Ihren Mitarbeiter für den heutigen Tag entbehren?«
Robin hob die Hände. »Selbstverständlich. Nehmen Sie ihn mit.«
Sie baten Gary ins Gästeapartment und gaben ihm die OCIN-Akten. Ihm würde auffallen, was allen anderen entging.
»Bitte sagen Sie Bescheid, sobald Sie etwas Ungewöhnliches finden«, sagte Dani, nachdem Mitch ihn in den Rechner eingeloggt hatte. Mitch selbst wollte sich mit seiner Kamera in die Dunkelkammer zurückziehen.
»Okay«, willigte Gary ein, ein dünner Mann Mitte dreißig, mit einer Brille, deren Gläser so schmal waren wie Kaugummistreifen. Er wirkte ein wenig aufgeregt, weil er der Polizei bei der Arbeit helfen durfte.
»Bitte beginnen Sie mit den laufenden Adoptionen«, bat Dani. »Eltern, die sich beworben, aber noch kein Kind adoptiert haben. Wir wissen von einem Mädchen, das ins Profil passt und kurz davorsteht, ihr Kind zur Welt zu bringen.«
»Wird gemacht. Bleiben Sie hier?«
Dani blickte auf ihre Armbanduhr und stieß einen Seufzer aus. »Nein, ich muss zu einer Beerdigung.«
Fultons Nummer erschien auf dem Display von Mias Handy. »Rufst du wegen Nika an?«, fragte sie, und ihr Puls beschleunigte sich. »Hat sie Wehen?«
»Nein. Ich habe keine guten Neuigkeiten.«
Sie erstarrte. »Was soll das heißen?«
»Wahrscheinlich wurde Alicia gefunden. Hier schwirren überall Polizisten herum. Und über uns kreist der Hubschrauber eines Fernsehsenders.«
Ein Zentnergewicht legte sich auf Mias Brust. Nein, nein. Nicht jetzt, da sie fast fertig war.
»Als ich vorhin die Straße runtergefahren bin, habe ich unterwegs angehalten und mit einem Landvermesser gesprochen. Er sagte, sie bergen gerade eine Leiche. Ein Jäger hat sie in einer Mine gefunden, und der Typ hat etwas von einer Blondine aus Maryland geschwafelt. Er hat mitbekommen, wie die Polizei aus Lancaster hinzugerufen wurde.«
»Du dämlicher Vollidiot!« Mia hätte ihn am liebsten mit bloßen Händen erwürgt. »Ich habe dir doch gesagt, dass du aufpassen sollst.«
»Niemand außer dem Landvermesser hat mich gesehen. Und selbst wenn sie anfangen würden, das Waldgebiet zu durchkämmen, würde es ewig dauern, bis sie etwas finden. Jeder, der diese Hütte kennt, weiß, wie schwierig sie zu finden ist. Außerdem ist der Sheriff ein absolutes Landei. Hat vermutlich noch nie mit einem Mordfall zu tun gehabt.«
Mia war aufgewühlt. Nika war jetzt viel wichtiger als die jüngsten Opfer, Alicia und Rose. Mia fuhr mit den Fingern durch das Haar auf dem Perückenkopf. Nika war die Letzte, sie wollte sie keinesfalls verlieren. »Was ist mit dem Arzt?«, fragte sie schließlich. »Ist er schon da?«
»Kann sein, dass er versucht hat zu kommen. Wie ich schon sagte, er hätte an der halben Belegschaft des Sheriffs vorbeigemusst.«
Auch das noch.
»Hau ab. Schnapp dir Nika und bring sie weg.«
»Und wohin?«, fragte Fulton mürrisch. »Es ist ja nicht gerade so, dass ich als ihr Ehemann durchgehen könnte, der sich und ihr ein Doppelzimmer bucht. Außerdem will das Mädchen abhauen. Möchtest du hören, was ich tun würde?«
»Nein.«
»Lass sie gehen. Ich habe keine Ahnung, worin genau deine perverse Vorliebe für diese Mädchen besteht, und es ist mir auch egal. Aber diese hier macht nur Ärger. Noch hat sie keine Ahnung, wer du bist oder wo sie sich befindet. Sie wird mich nie wiedersehen. Lass sie gehen, sie kann niemandem etwas verraten.«
Nein. Mia war zu nahe dran. Sie hatte zu lange gewartet, und es konnte Monate dauern, ein neues Mädchen aufzutreiben. Soweit sie informiert war, hatte Brad zurzeit niemanden in petto. Und selbst wenn, war sie sich sicher, dass er ihr weder Namen noch Anschrift geben würde – nicht, seit er wusste, dass sie die anderen umgebracht hatte. Außerdem waren es nur noch zwei Tage, bis Kristina kommen würde. »Nein, ich werde nicht auf die Nächste warten. Nika soll die Letzte sein.«
»Verdammt –«
»Tu gefälligst, was ich dir sage!«, kreischte sie, riss sich aber noch rechtzeitig zusammen.
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