Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
würde nicht lange genug leben, um über ihre Erlebnisse dieser Nacht berichten zu können. Auch Mitch würde diese Nacht nicht überstehen.
Um ihn war es wirklich zu schade, aber manche Dinge konnte man eben nicht ändern.
Sie griff nach der Derringer und checkte die Trommel. Warf einen letzten Blick auf ihre Sammlung, die sie zurücklassen musste.
Doch auch das war ohne Bedeutung. Wichtig war jetzt nur noch, Mitch die Fotos abzunehmen und neben ihm die einzige Person zu vernichten, die wirklich die ganze Geschichte kannte: Dani Cole.
Mitch und Neil verließen das Wohnhaus und sprangen über die Beete und Büsche davor, um schneller zur Garage zu gelangen, wo Neil seinen SUV abgestellt hatte. Sie hatten ihre Smokingfliegen und Manschettenknöpfe im Apartment abgelegt, die dunklen Smokingjacketts jedoch angelassen. Terence hatte zu seinem großen Leidwesen nicht mitkommen dürfen.
»Ich habe ein paar hübsche Knarren dabei«, sagte Neil und betätigte den elektrischen Wagenschlüssel, woraufhin sich die Kofferraumklappe des SUV öffnete. »Bist du immer noch absolut dagegen, eine Waffe in die Hand zu nehmen? Ich kann dir eine .38er geben, die ist schön klein.«
Mitch griff an den Hosenbund in seinem Rücken und holte eine .500 Smith & Wesson Magnum hervor – die weltweit kräftigste Faustfeuerwaffe mit der höchsten Mündungsgeschwindigkeit, sie würde jedem Elefantenjäger gute Dienste erweisen. Mia Kettering, so beschloss Mitch ohne den Hauch von Mitgefühl, fiel eindeutig in das Beuteschema eines Großwildjägers.
»Meine Güte«, sagte Neil und wich einen Schritt zurück. »Weißt du auch wirklich, wie du damit umgehen musst? Du wirst dir doch hoffentlich nicht in den Fuß schießen oder gar deinen großen Bruder wegpusten?«
Mitch überprüfte die Trommel mit geübtem Griff und steckte die Waffe wieder in seinen Hosenbund. Dieses Mal seitlich, damit sie sich nicht am Rücken abzeichnete. »Ich habe vermutlich schon genauso oft wie du von einer Schusswaffe Gebrauch machen müssen, Neil. Fast jede Gruppe, bei der ich mich in den letzten fünf Jahren aufgehalten habe, lebte in ständiger Alarmbereitschaft.«
Neil grinste beeindruckt. »Dann sollten wir keine Zeit verlieren.« Neil nahm zwei Revolver aus seinem Vorrat, dann stiegen sie in den SUV. »Du bist öfter in Lancaster gewesen als ich. Kläre mich über die Beschaffenheit des Geländes auf.«
»Sedalia Park hat sich nicht verändert«, erwiderte Mitch. »Auf dem Rasen liegen immer noch jede Menge Golfbälle und Gänsescheiße herum.«
Sedalia Park war riesig. Zu dem Gelände gehörte der zweihundert Hektar große See, ein Golfplatz mit achtzehn Löchern, fünf oder sechs Spielplätze, mehrere Picknickmöglichkeiten und ausgedehnte Rasenflächen, auf denen man Frisbee spielen oder Drachen steigen lassen konnte. Das gesamte westliche Ufer des Sees befand sich in Privatbesitz, so auch das Grundstück der Ketterings. Bevor sie Polizistin geworden war, hatte Dani nie auch nur einen Fuß in diese Gegend gesetzt und sich auch im Job nie dabei wohl gefühlt. Stets hatte sie die Befürchtung gehegt, die Anwohner glaubten, sie sei zum Rasenmähen hier, um Gänsescheiße aufzusammeln oder aus einem kleinen Foodtruck Eis am Stiel an die Kinder zu verkaufen.
Jetzt lief sie vor Mia das abschüssige Ufer des Sees entlang und sah über die Schulter zu den Lichtern auf der Westseite hinter ihnen.
In welchem Haus mochte Mitch wohl aufgewachsen sein?, fragte sie sich. Und wo steckte er jetzt? Neil würde bestimmt rasch Verstärkung holen.
Es sei denn, sie hatten beschlossen, auf Mias Forderungen einzugehen.
Dani hatte gehört, wie sie Mitch am Telefon befahl, allein herzukommen. Keine Polizei, Mitch. Und auch kein FBI. Sollte ich feststellen, dass jemand bei dir ist, weiß ich, dass das Spiel für mich aus ist. Und glaub mir, Dani wird dann als Erste sterben. Lieber Gott, bitte lass Mitch nicht darauf eingehen. Lass ihn die Polizei rufen. Dani war so oder so in Gefahr, wer auch immer zu dem Treffpunkt im Park kommen würde. Dani fand den Gedanken, dass Mitch vielleicht auch sterben musste, unerträglich.
Sie schloss die Augen und verlangsamte ihre Schritte auf dem Rasen.
»Vorwärts«, befahl Mia, und Dani spürte die Waffe im Rücken. Mia hatte sich einen Mantel über das Kleid gezogen und Dani eine Decke umgelegt. Doch erst als sie durch den Garten der Ketterings zum Park gegangen waren, hatte Dani verstanden, warum. Mia mochte zwar völlig irre sein,
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