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Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)

Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)

Titel: Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Brady
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versuchte, sich vorzustellen, wie die letzten beiden Wochen für sie gewesen sein mussten. Seit ihr Vater sich eine Kugel durch den Kopf gejagt und sie ihn gefunden hatte. Er wusste, wie diese Wochen – Monate, Jahre – für ihn gewesen waren. Ein Alptraum. »Hast du Angst, dich schlafen zu legen?«, fragte er.
    Ihre Miene versteinerte. »Warum sollte ich?«
    »Wegen des Selbstmords deines Vaters. Hörst du den Schuss im Schlaf?« Sie begann zu zittern, doch Mitch ließ nicht locker. »Ich schon. Keine Schüsse, aber das Geräusch des Kampfhubschraubers, der das Lager in Ar Rutbah in die Luft gejagt hat. Monatelang habe ich ihn jedes verdammte Mal gehört, wenn ich die Augen schloss.«
    Dani sah ihn an. »Jetzt immer noch?«, wollte sie wissen.
    »Manchmal«, antwortete er. »Aber nicht mehr so oft. In letzter Zeit haben sich meine Träume verändert. Sie vermischen sich mit Einzelheiten von hier, aus Lancaster.« Mit seiner Schwester, wie sie sich losreißt und auf die Straße läuft … Mit seinem blutüberströmten Vater. Manchmal träumte er von seiner Mutter und den Kämpfen, die sie später durchzustehen hatte – Alkohol, Depression, Geldsorgen. Und das alles nur, weil Mitch sich nicht gekümmert hatte.
    Als es abermals blitzte, schloss Dani die Augen. Als könnte das helfen, den Donner zu überhören. Eine Welle der Hilflosigkeit erfasste Mitch. J. M. Sheridan, der Mann, der für namenlose Fremde überall auf der Welt Berge versetzte. Doch wenn es um die Menschen ging, die ihm hier in Lancaster am Herzen lagen, war er immer machtlos gewesen.
    Aber nicht heute Nacht. Zumindest konnte er das Gewitter aus Danis Ohren verbannen. Konnte es übertönen.
    Mitch griff nach der Fernbedienung und hielt sie auf die Stereoanlage gerichtet. »Was würdest du gern hören?«
    »Wie bitte?« Dani sah auf die Fernbedienung. »Oh, keine Ahnung, ich höre nicht viel Musik.«
    »Warum überrascht mich das nicht?«, fragte er leichthin, doch der Gedanke ernüchterte ihn. Nein, es käme Dani gar nicht in den Sinn, sich zu verstecken und den Lärm zu übertönen. Sie würde eher nach draußen marschieren, ihre Waffe gen Himmel richten und Gott höchstpersönlich herausfordern. »Wie wäre es damit?«, fragte er, als sanfter Jazz aus den Boxen klang. Er setzte sich neben sie und legte einen Arm hinter sie auf die Sofalehne.
    »Ich gehe jetzt lieber«, antwortete sie.
    »Du solltest bleiben. Und es wäre noch besser, wenn du dabei nicht aussehen würdest, als hättest du Angst vor mir.«
    »So ein Quatsch! Ich habe keine Angst vor dir.«
    »Dann komm her«, sagte er und nahm sie in den Arm. Sie kuschelte sich an ihn, und nach einigen Augenblicken spürte Mitch, wie sich ihr Körper entspannte. Er drückte ihren Kopf sachte an sein Herz und legte ihr eine Hand auf das freie Ohr, um sie vor dem Gewitterkrachen zu beschützen. Dann hauchte er ihr einen Kuss auf die Stirn.
    Noch einen. Und noch einen auf die Wange. Als Dani ihm ihr Gesicht zuwandte, nahm er diese Aufforderung, ohne zu zögern, an. Er küsste sie zärtlich mit leicht geöffneten Lippen und vergrub die Finger in ihren Haaren. Sie erwiderte seinen Kuss, indem sie den Mund öffnete und ihre Hände über seine Schultern zu seinem Nacken gleiten ließ. Mitch beugte sich über sie, und gemeinsam sanken sie tiefer in die Sofakissen. Wie aus dem Nichts war ihre Leidenschaft entflammt.
    Und wie aus dem Nichts ertönte ein Geräusch. Dani hörte es als Erste. Ihre Muskeln versteiften sich, und sie wollte sich von Mitch lösen.
    »Warte, warte doch mal«, sagte sie. Da war es wieder. Ein entferntes Klingeln.
    »Verdammt.« Danis Arm klemmte zwischen einem Kissen und der Sofalehne. Mitch stemmte sich hoch, damit Dani an ihr Handy kam. Das Klingeln ertönte erneut, diesmal aus ihrer Hand.
    »Mist«, fluchte Mitch und hätte das verdammte Ding am liebsten weggeworfen. Dani drehte das Mobiltelefon so, dass sie das Gespräch annehmen konnte, während Mitch versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
    »Schau auf die Nummer im Display«, sagte er. Es war zu spät für einen gewöhnlichen Anruf.
    Sie tat, was er sagte. »Tifton.«
    Dani stand auf und brummte etwas in das Handy. Mitch hörte Tiftons aufgebrachte Stimme. Sie antwortete. »Mir geht es gut. Ich habe nur noch nicht im Motel eingecheckt.« Sie hielt inne. »Hör auf, dir Sorgen zu machen. Du bist schließlich nicht mein Babysitter, oder?«
    Mitch lehnte sich zurück und streckte die Arme auf der Sofalehne aus.

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