Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
Empfangsdame und einen Versicherungskaufmann in der Praxis. Und Sarah.
An diesem Tag kam sie um sieben Uhr zweiundzwanzig an. Ohne zu ahnen, dass dies ihr letzter Tag sein würde.
Ich glaube, du solltest sie lieber nicht damit konfrontieren …
Es blieb keine Alternative.
Gib ihr ein paar Minuten, um hineinzugehen und mit der Arbeit zu beginnen. Dann schlüpfst du dank des Schlüssels zur Hintertür rein.
Die Zeiger auf dem Armaturenbrett schienen sich nur zäh bewegen zu wollen. Endlich waren zehn Minuten verstrichen. Das sollte reichen.
Sarahs Büro lag am Ende des Flurs. Los. Ganz leise. Es gab keinen Grund für sie, nicht mitzukommen. Am besten, ihr bliebe keine Zeit, nachzudenken.
»Hallo Sarah.«
Sie fuhr zusammen und wirbelte auf ihrem Schreibtischstuhl herum. »Mein Gott! Sie haben mich zu Tode erschreckt.« Sie klang atemlos. Einen Moment später runzelte sie die Stirn. »Was tun Sie hier? Was ist los?«
Ruhig Blut. Ergriffen aussehen, das war gut. Sehr gut sogar. Trotzdem nicht den Kopf verlieren. »Ich komme Sie abholen.« Die Worte sollten klingen, als kämen sie nur schwer über die Lippen. »Es geht um Ihre Schwester. Sie … hatte einen Unfall.«
»Was?« Sarah war aufgesprungen. »Was ist passiert?«
»Sie ist gestürzt … ich weiß auch nichts Genaueres. Ich weiß nur, dass man Sie nicht erreichen konnte.«
Sarah warf einen Blick auf ihre Handtasche. »Aber mein Handy ist doch –«
»Sie ist im Krankenhaus. Im Southview Memorial.«
»Im Southview Memorial? Aber das liegt doch ganz we–«
»Ich weiß. Wir müssen uns beeilen.« In der morgendlichen Rush Hour war die Highland-Brücke eine gute Ausweichmöglichkeit nach Southview. Ein Spitzenplan brauchte keine Alternativen. »Ach herrje.« Ein kleines Wanken.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Sarah.
»Jaja. Ich fühle mich heute Morgen nicht besonders wohl. Aber das wird schon wieder.«
Als sie den Flur hinuntereilten, drehte sich Sarah mit sorgenvollem Blick um. Sie registrierte das Schwanken und die Hand auf dem Magen und runzelte die Stirn.
»Vielleicht sollten Sie nicht fahren«, schlug sie vor. »Lassen Sie den Saab stehen, wir nehmen meinen Wagen.«
Perfekt. Genau darauf wollte ich gerade bestehen. »In Ordnung. Holen Sie den Wagen. Ich gehe schnell mal zur Toilette und bin auch gleich draußen.«
Sarah eilte zur Tür hinaus.
Geh zurück. Hinterlasse eine Spur auf Sarahs Schreibtisch, etwas, das die anderen nicht so schnell nach ihr suchen lässt.
Der Computer lief bereits. Alles markieren und entfernen. Woran Sarah auch immer gearbeitet hatte – jetzt war nur noch ein leeres Dokument zu sehen. Schnell etwas hineingetippt.
Perfekt.
Dani erwachte, als ihr der Duft von gebratenem Speck in die Nase stieg.
Speck?
Sie blinzelte und sah sich um. Ein riesiges Schlafzimmer mit einem Doppelbett. Bequeme Kopfkissen und eine Daunendecke.
Wie? Sie hatte sich doch fürs Sofa entschieden! Erst hatte sie sich gegen Mitchs autoritäre Haltung gewehrt, doch wenn sie ganz ehrlich war, hatte sie keine Lust gehabt, allein ins Radisson zu gehen.
Aber sie hatte das Sofa gewählt. Wie in aller Welt war sie also hier gelandet?
Während sie aufstand, kehrte die Erinnerung an die letzte Nacht zurück: die OCIN-Akten, Mitch, das Sofa. Das Gewitter draußen, drinnen Küsse und Berührungen. Mitchs starke Schulter und sein Herzschlag an ihrem Ohr und am anderen sanfter Jazz, der das Donnergrollen belanglos machte. Das Gefühl, in Sicherheit zu sein, umsorgt, ja sogar verhätschelt zu werden.
Dani blickte sich nach einer Uhr um. 7:45 Uhr.
»Guten Morgen.«
Sie wirbelte herum. Mitch lehnte im Türrahmen. Er trug Jeans, eine legeres Poloshirt und Mokassins. Sein Haar war noch ein wenig feucht, und ein Bartschatten lag auf seinen Wangen. Er fuchtelte mit einem Pfannenheber herum.
»Auf derartige Begrüßungen entgegnet man üblicherweise so etwas wie ›Hi‹ oder ebenfalls ›Guten Morgen‹«, sagte er.
Plötzlich überfiel Dani Schüchternheit. Vor achtzehn Jahren waren sie viel weiter gegangen als letzte Nacht. Doch gemeinsam aufzuwachen und zu frühstücken hatte damals nicht dazugehört. In Mitchs Apartment aufzuwachen, brachte eine Intimität mit sich, die neu war.
»Wie …?« Sie zeigte mit einer ausholenden Geste auf das Schlafzimmer.
»Du hattest die falsche Wahl getroffen«, antwortete er, als wäre es die einfachste Sache der Welt. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du mit dem Sofa vorliebnehmen musst, wenn hier
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