Mädchen Nr. 6: Thriller (German Edition)
vereinfacht – sie hatten das System perfektioniert. Lediglich die Anzahl der Schwangeren, die Housley aufsuchten, konnten sie nicht beeinflussen. Doch in letzter Zeit war sogar das einfacher geworden, denn es hatte sich ein Netzwerk etabliert. Kamen gewisse Mädchen in andere Umstände, wussten sie, wo sie hingehen und welchen Arzt sie um Rat fragen mussten. Und da sie sich alle irgendwann etwas hatten zuschulden kommen lassen, wagte später keine, den Mund aufzumachen.
Abgesehen von Rose McNamara. Sie hatte die Regeln gebrochen und beschlossen, ihr Baby zu finden. Sie war zu Housley gegangen und ihm dann zu Brad gefolgt. Sie hatte wütend die Fäuste geballt und die Herausgabe der Adresse ihres Kindes verlangt. Andernfalls, so hatte sie gedroht, würde sie zur Polizei gehen. Brad hatte sie brutal einzuschüchtern versucht und ihr deutlich zu verstehen gegeben, mit wem sie es zu tun hatte. Wenn überhaupt jemand ins Gefängnis wandern würde, darüber ließ er keinen Zweifel aufkommen, würde sie diejenige sein. Denn er besaß Möglichkeiten, finanzielle Mittel und Erfahrungen, von denen sie nicht einmal träumte. Er war davon ausgegangen, dass das reichen würde, um sie loszuwerden.
Doch es hatte nicht geklappt. Sie hatte sich an seinen Vater gewandt. Diese verdammte Schlampe! Und Russell hatte Brad so sehr misstraut, dass er ihr tatsächlich glaubte.
Brad blätterte Heather Whytes Akte durch, und plötzlich wuchs sein ungutes Gefühl zu einer Panik heran. Denn auch hier fehlte die Seite mit den biografischen Angaben.
Großer Gott. Brad überprüfte eine weitere Akte. Auch Jill Donnellys persönliche Informationen fehlten. Ebenso die von Rose McNamaras. Von allen.
Er atmete tief durch. Verdammt. In allen sechs Akten fehlte dieselbe Seite.
Er konnte sich kaum konzentrieren. Wie? Warum? Hatte er diese Seiten irgendwann herausgenommen und nicht wieder zurückgelegt? Gab es vielleicht irgendwo noch einen weiteren Stapel? Das konnte nicht sein. Brad war Anwalt. Er war penibel, jemand, der bei seiner Arbeit selbst auf winzige Details achtete. Er hatte sich den Safe speziell für diese Akten zugelegt, und niemand hatte ihn je zu Gesicht bekommen. Die einzigen Personen, die überhaupt von der Existenz des Safes wussten, waren seine Haushälterin und –
Schwankend richtete sich Brad auf, rieb sich über das Gesicht und verfluchte Mitch, als er den blauen Fleck berührte. Er konnte nicht fassen, wie dumm er gewesen war.
Was für eine Katastrophe.
Mia stand vor dem Badezimmerspiegel. Sie trug einen weißen Morgenmantel und hatte einen Diamant-Anhänger angelegt. Ihre Arme schmerzten. Es war nicht einfach, sie ständig oben zu halten, um sich die neue blonde Strähne ins Haar einzuarbeiten. Bis jetzt hatte sie das noch nie selbst machen müssen. Normalerweise legte sie genügend Haar für die Perücke beiseite und trug den Rest zu Darva, ihrer Friseurin. Und Darva kommentierte Mias neue Vorliebe für Extensions, indem sie zunächst etwas in ihrer slawischen Muttersprache murmelte und dann sagte: Ich verstehe einfach nicht, warum Sie sich Ihr Haar abgeschnitten haben … Und jetzt soll ich das wo anbringen? Oder: Mrs. Kettering, wenn Sie mehr Farbe wollen, kann ich ein paar Highlights setzen. Oder soll ich Ihnen andere Extensions bestellen? Dieses Haar eignet sich nicht gut zum Einarbeiten …
Doch mit dem ersten Trinkgeld über fünfhundert Dollar kam Darva darüber hinweg. Fortan hielt sie die Klappe, fertigte Extensions aus dem Haar an, das Mia ihr brachte, und arbeitete sie ein. Wahrscheinlich verdrehte sie die Augen, sobald Mia gegangen war, und tratschte über die exzentrischen Reichen, aber das war ihr gleichgültig. Für Mia waren die Haarbüschel der Mädchen eine gerechte Belohnung, und sie trug sie wie ein Ehrenabzeichen. Heather Whytes Haare waren von einem zarten Braunton, der wenig auffiel. Wenn Mia einen feinen Kamm durch die richtigen Haarstellen zog, spürte sie, wie die Zinken über die feinen Knötchen sprangen, die das Haar hielten. Doch ansonsten hatte Heathers Haar ihre Frisur nicht verändert. Marshall hatte es nicht einmal bemerkt. Rolinda Sills’ Haar war schwieriger gewesen. Rolinda war schwarz und hatte sich das Haar gebleicht und dann in einem unglaublichen Orangeton gefärbt. Darva hatte fast Zustände bekommen. Die Farbe ist nicht schlimm, aber die Struktur geht nicht, Mrs. Kettering. Ich kann es zwar glätten, aber wenn es nass wird, dann pfft. Sie hatte die Finger gespreizt, um
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