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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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Pfuscherei dieses Weibes alsbald ein Ende setzen.«
    »Gewiss, werter Monsieur Dottore Tobler, gewiss.« Seine Angriffe prallten förmlich an ihr ab. Helena hatte nur noch ein Ziel vor Augen: Gregor zu helfen. »Wir sollten seine Pflege allein der Gräfin von Hohenstein überlassen.« Sie warf Aurelia einen unmissverständlichen Blick zu. »Sie wird am besten wissen, was das Richtige für ihn ist.«
    Helena kniete vor Gregors Bett nieder und strich ihm die verschwitzten Strähnen aus dem Gesicht, behutsam berührte sie seine Wangen, umkreiste die rötlichen Flecken und fuhr zärtlich über die Bartstoppeln.
    Als Gregor auf einmal nach ihrer Hand griff und sie von seinem Gesicht weg auf das Kissen drückte, quollen Helena die Tränen in die Augen. Er wollte ihre Berührung nicht,
und sie hatte verstanden. Er gehörte zu Aurelia, und so sollte es sein. Doch auch wenn sie nicht mehr um seine Liebe kämpfen durfte, so wollte sie doch für ihn kämpfen.
    Helena beugte sich zu ihm herunter und flüsterte ihm zu: »Gib nicht auf, Gregor. Du bekommst Quecksilber und wirst wieder gesund.« Noch während sie das sagte, spürte sie unter dem Kopfkissen einen harten Gegenstand, dort, wo Gregor ihre Hand hingedrückt hatte. Sie tastete von den anderen unbemerkt danach und erkannte sofort, was unter dem Kissen lag: der steinerne Engel.

    Gregor hoffte inständig, dass Helena sein Zeichen verstanden hatte. Es waren keine Blattern. Er hatte ihr doch Flügel versprochen. Er war nur so unendlich müde, hatte wieder einmal fest geschlafen, wie lange konnte er nicht sagen. In seinem Traum hatte er den kalten Wind gespürt, und die Wolken waren zum Greifen nahe gewesen; die Montgolfière schwebte lautlos dahin.
    Nun fand er sich im Sternenzimmer wieder, ein kühler Luftzug ließ ihn erschaudern. Mühsam öffnete er die Augen. Aurelia hatte das Fenster geöffnet und sich die Bettdecke bis unters Kinn gezogen. Sein Gestank musste für sie unerträglich sein. Aber was sollte er tun? Er war zu schwach, um seine Notdurft außerhalb des Bettes zu verrichten, und niemand brachte frische Laken. Deshalb versuchte er, so wenig wie möglich zu trinken, auch wenn er wusste, dass das für seinen Zustand nicht gut war. Essen konnte er ohnehin nichts mehr, weil sich sein Hals anfühlte, als sei eine Gewehrkugel darin stecken geblieben.

    Die Hitze in seinem Kopf ließ ihn immer wieder gnädig einschlummern. Seit er jedoch von Helena vernommen hatte, dass ihm tatsächlich nicht die Blattern diese Qualen bereiteten, schreckte er aus seinen Fieberträumen immerfort mit nur einem einzigen Gedanken auf: Quecksilber . Seine Lippen versuchten das Wort laut zu formulieren, um Aurelias Aufmerksamkeit zu erlangen. Doch abermals sank er in tiefen Schlaf.
    Als Gregor das nächste Mal erwachte, schmerzte ihn das Atmen bis tief in die Lunge. Er nahm all seine Kraft zusammen, und mit eisernem Willen drang heiser aus ihm hervor: »Aurelia … Queck… Quecksilber!« Aus halbgeöffneten Augen sah er, wie sie aufstand und näher kam.
    »Gregor, ich dachte schon, du würdest nie mehr aufwachen. Bitte, du musst wieder gesund werden«, flehte sie. »Du hast die Blattern, Gregor. Hast du den Äskulap nicht gehört? Bei mir wird es auch nicht mehr lange dauern … Wir werden beide an den Blattern sterben.«
    Gregor versuchte etwas zu sagen, ihr zu widersprechen, aber es kam kein Laut mehr aus seiner wunden Kehle. Hatte sie denn nicht Helenas Worte gehört? Er versuchte, so heftig wie möglich den Kopf zu schütteln, aber es gelang ihm nur eine kaum merkliche Bewegung. In seinem Körper arbeitete ein Mühlstein, alles war aufgerieben, und jede Regung gab dem Feuer neue Nahrung. Endlich kam der Widerspruch krächzend über seine Lippen: »Syphilis!«
    »Aber nein, Gregor, sonst hätte ich doch auch einen Ausschlag. Helena fantasiert! Ich habe keine Syphilis. Der Leibarzt wollte mir Quecksilber geben, um die Schwangerschaft zu unterbrechen.«
    Aurelias Worte drangen nur als dumpfe Fetzen zu ihm,
während er mit seiner Montgolfière über das Stift hinwegschwebte.
    »… müssen vorsichtig sein. Helena … selbst Syphilis. Warum … mit ihr im Bett gelegen? Wie konntest du …?«
    Gregor bemühte sich, den Fängen seines Fiebertraums zu entkommen. Nur mühsam gelang es ihm, einen einigermaßen klaren Gedanken zu fassen. Könnte Helena ihm die Syphilis mitgeteilt haben? Er wusste kaum etwas von ihr. Hätte er sie nur nicht geküsst! Andererseits, vielleicht hatte sich Aurelia

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