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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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der Herr Stiftskanzler ist schlichtweg unter ihren miserablen Behandlungen gestorben. Ihren Dilettantismus haben schon viele am eigenen Leib zu spüren bekommen!«
    Die Fürstäbtissin erhob sich. »Genug jetzt! Wir werden die gegenseitigen Anschuldigungen in einem Gerichtsverfahren erörtern. Bis die Untersuchungen stattgefunden haben, wird das Mädchen in Gewahrsam genommen.«

    Flankiert vom Äskulap und einem jungen, kräftigen Diener nahm Helena den Weg zum Sternenzimmer kaum wahr. Sie spürte nur den eisernen Griff des Leibarztes um ihr Handgelenk, unfähig sich dagegen zu wehren.
    Als der Äskulap sie in die Bibliothek bugsierte, schlug ihr übler Geruch entgegen. Das war nicht mehr ihr Sternenzimmer: Hinter dem Tränenschleier wurden die Marmorbüsten zu hellen Schatten, denen kein Zauber mehr innewohnte.
    »Wer ist da?«, kam die keifende Stimme Aurelias hinter dem letzten Regal hervor.
    »Die Mörderin kehrt noch einmal an den Ort ihrer Tat zurück«, verkündete der Leibarzt.
    Die Mörderin. Helena ging tapfer weiter.
    Aurelia saß in einem zerknitterten roten Seidenkleid und mit unfrisierten Haaren auf einem hinzugeschobenen Strohbett. Ihre verquollenen Augen ruhten auf Gregor, der notdürftig zugedeckt auf dem Bett lag, das sie lange miteinander geteilt hatten. Ein scharfer Geruch ging von ihm aus, das Laken war beschmutzt und an den Seiten quoll das Stroh aus dem Bettkasten. Sein Gesicht war mit rötlichbraunen Flecken übersät, er atmete schwer und wälzte sich unruhig hin und her.
    Der Äskulap hielt sich angewidert die Hand unter die Nase. »Hast du noch nicht genug gesehen, Helena? Der Blatterngestank ist ja nicht auszuhalten. Das reicht, wir gehen. «
    »Bitte, einen Augenblick noch.«
    »Helena?« Gregor öffnete die Augen und schloss sie wieder mit einem Lächeln. Offenbar quälten ihn solch hitzige Wallungen, dass er zu mehr nicht imstande war.

    »Das ist kein Blatterngestank«, widersprach sie. »Gregor liegt in seiner eigenen Notdurft, das ist alles!«
    »Was erlaubst du dir?« Aurelias Lippen wurden schmal, doch Helena beachtete sie nicht. Sie hatte nur noch Augen für Gregors Ausschlag: Hier stimmte etwas nicht. Die hitzigen Wallungen, die Müdigkeit und die Flecken waren zwar ein untrügliches Zeichen für die Blatternkrankheit, und er könnte bald aussehen, als habe der Teufel Erbsen auf sein Gesicht gedroschen, aber die Flecken könnten auch von etwas anderem herrühren. Aufgeregt rechnete sie nach und sofort platzte sie mit ihrer Diagnose heraus: »Das sind keine Blattern, das ist die Syphilis! Gregor benötigt sofort Quecksilber!«
    Der Leibarzt brach in hysterisches Gelächter aus. »Das ist ja unglaublich! Unfassbar! Dieses Weib! Hat den Strick schon um den Hals und bemängelt den Galgen. Die Syphilis! Das ist die dümmste Ausrede, die mir bisher von dir zu Ohren gekommen ist. Von wem soll denn die Krankheit entstammen? Ist sie ihm einfach zugeflogen?«
    Helena sah an dem Leibarzt vorbei, Aurelia direkt in die Augen. »Die Syphilis überträgt sich durch Beischlaf mit einer verdächtigen Person.«
    »Ach, was du nicht sagst.« Der Leibarzt zeigte sein widerliches Grinsen »Wer kann das wohl gewesen sein? Wer war denn die ganze Zeit über bei ihm hier in der Bibliothek?« Er strich seinen Gehrock glatt. »Es tut mir leid, Helena, aber dieser Schuss ging wohl nach hinten los. Deine Ausrede ist zugegebenermaßen nicht schlecht, um den verpfuschten Versuch nicht als solchen erscheinen zu lassen. Dennoch wärst du diejenige, die dem armen Grafen von Herberstein die Syphilis beigebracht hätte.«

    »Ich habe die beiden sogar zusammen im Bett erwischt!«, warf Aurelia ein.
    Helena blieb ruhig. Noch konnte Aurelias Körper aufgrund seiner guten Verfassung der Krankheit etwas entgegensetzen, aber auch bei ihr würde es nicht mehr lange dauern, bis sich der Ausschlag zeigte. »Aurelia hat die Syphilis von dem Franzosen mitgeteilt bekommen, dagegen war das Quecksilber gedacht, nicht wahr?«
    Der Äskulap rammte seinen Stock auf den Boden. »Das geht dich nichts an! Sieh einfach ein, dass der Versuch gescheitert ist und du mir nicht das Wasser reichen kannst!«
    Helena ballte die Hände zu Fäusten. »Es ist die Syphilis! Es sind doch eindeutig rotbraune Flecken, und beginnende Blattern wären hellrot. Gregor braucht sofort Quecksilber!«
    »Schweig still! Das Aqua mercuriale hilft nur, wo es etwas zu helfen gibt.« Der Leibarzt stützte sich auf seinen Stock. »Gott sei Dank können wir der

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