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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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klopfen.
    Borginino deutete eine Verbeugung an. »Wir haben Anweisung,
euch die Kiste abzunehmen und nach vorne zu tragen. Ihr sollt gleich wieder in die Küche laufen und Nachschub holen.«
    Die beiden Diener musterten Borginino, der sie aufmunternd ansah. Dann fiel ihr Blick auf Helena.
    »Und was soll dieses Fräulein hier?«, fragte der Ältere. »Warum trägt sie keine Dienstkleidung?«
    »Alles hat seine Richtigkeit. Sie war bisher Gehilfin …«
    »… in der Küche!«, warf Helena ein. »Dort hat man mich jedoch nicht mehr gebraucht.«
    »Schon gut, schon gut. Es soll uns recht sein«, brummte der Bucklige. »Bitte schön.«
    Wortlos schulterte Helena den Riemen. Unter dem Gewicht der Kiste musste sie die Zähne zusammenbeißen, und schon nach wenigen Schritten begannen ihre Muskeln zu zittern. Die Finger um den Lederriemen gekrallt, die Augen starr geradeaus gerichtet, zwang sie sich weiterzugehen. Ständig wurde sie angerempelt oder blieb mit ihren Füßen irgendwo hängen. Borginino schaute sie besorgt an, doch Helena bedeutete ihm mit einem ruckartigen Kopfnicken, dass sie die Situation im Griff hatte.
    Als sie die Kiste vor dem langen Tisch beim Altar absetzten, fühlte sich ihr Körper taub an, kraftlos stand sie da, Arme und Beine schwer wie Blei. Borginino hingegen machte sich sogleich daran, die Holztruhe zu öffnen und die Speisen aufzutragen. Helena bemerkte, dass sie der Graf von der Schulenburg-Kehnert argwöhnisch beobachtete. Mit zusammengekniffenen Augen verfolgte er jede Bewegung des Dieners.
    Borginino hob eine Suppenschüssel heraus, aus der es verführerisch nach Klößchenbrühe roch. Als Helena die
Backform mit einem goldgelben Rührkuchen in der Kiste sah, spürte sie den Geschmack förmlich auf der Zunge. Wie lange hatte sie so etwas schon nicht mehr gegessen? Wann hatte sie überhaupt das letzte Mal etwas zu sich genommen? Wenn der Graf nicht gewesen wäre, hätte sie den Kuchen unauffällig unter ihren Umhang geschoben, doch stattdessen griff sie seufzend in die Kiste, um ihn aufzutragen, als unvermittelt die Stimme des Huldigungskommissärs ertönte:
    »Bewegt euch gefälligst! Das Ganze muss schneller gehen. Die Leute sollen nicht ewig auf ihr Essen warten müssen! He, Diener, hast du nicht gehört?«
    Borginino hielt inne und fixierte den Grafen.
    »Findest du meine Befehle etwa lachhaft? Na warte, dir werde ich helfen!« Der Graf stieg behände vom Thron und baute sich bedrohlich nahe vor Borginino auf. »Du scheinst wohl nicht zu wissen, wen du vor dir hast! Wenn du nicht sofort aufhörst zu grinsen, lasse ich dich wegen Befehlsverweigerung und Beleidigung …« Dem Grafen verschlug es angesichts Borgininos Dauerlächeln die Stimme.
    »Werter Graf von der Schulenburg-Kehnert …« Helena wusste eigentlich gar nicht, was sie sagen sollte, aber irgendwie musste sie reagieren. Borginino jedoch hatte bereits die kleine Unaufmerksamkeit des Grafen genutzt und ihm kurzerhand die heiße Brühe über Hose und Füße gekippt.
    Der Huldigungskommissär tobte und schrie. Sofort hoben einige Leute die Köpfe und eilten herbei, um dem Grafen aus der misslichen Lage zu helfen, und Borginino nutzte den entstehenden Tumult, um hinter dem Thron zu verschwinden, die leere Kiste hinter sich herziehend. Helena hastete ihm die Treppen hinauf zum Hohen Chor nach.

    »Borginino, bist du wahnsinnig?«, rief sie außer Atem, als sie ihn in der Schatzkammer einholte, die bereits von der Fürstäbtissin geöffnet worden war. »Was glaubst du, was jetzt passiert?«
    »Nichts! Der Herr Huldigungskommissär wird noch eine Weile mit sich selbst beschäftigt sein. Bis er Schuhe und Kniestrümpfe gewechselt hat, sind wir längst über alle Berge.«
    »Borginino, du hättest dich nicht mit ihm anlegen dürfen! « Ihre Stimme zitterte vor Angst.
    »Ach ja? Hätte ich mich stattdessen verhaften lassen sollen? « Borginino zögerte nicht weiter, perlenverzierte Kästchen einzusammeln, ebenso schimmernde Bergkristallflakons und kleine Schreine aus Elfenbein, in denen sich Reliquien von Heiligen und Märtyrern befanden, und legte diese jahrhundertealten Werke mit aller Behutsamkeit in die Holzkiste.
    »Helena, bitte hilf mir, die kostbaren Bibelausgaben einzuschichten – und mit dem Knüpfteppich komme ich auch nicht alleine zurecht. Der ist dreimal so groß wie ich!«
    »Ich kann nicht.« Sie ließ sich mitten in der Schatzkammer auf den Boden sinken und schlang die Arme um die Knie. »Es geht einfach

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