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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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noch die Weidepacht bezahlen? Ich würde so gerne die Kühe an meinen Schwager verkaufen, aber es wird wohl noch eine ganze Weile dauern, bis die Kuhpocken verschwunden sind und die Kühe wieder ordentlich Milch geben. Ich habe gerade noch einmal die Euter abgetastet.«
    »Ernestine, könntest du mir einen großen Dienst erweisen ? Du müsstest mir die Melkerknoten künstlich mitteilen«, sagte er zur Witwe.
    Ernestine bekreuzigte sich. »Gott steh mir bei. Warum bin ich nicht im Haus geblieben?« Sie zögerte. »Aber was bleibt mir übrig? Alsdann, bringen wir es hinter uns.«
    Gregor stutzte. »Woher weißt du überhaupt, wovon ich spreche?«
    »Ach, das… das habe ich … das mit dieser künstlichen Mitteilung der Melkerknoten habe ich aufgeschnappt, als Helena bei mir war. Kennen Sie denn das Mädchen? Sie ist so lieb und hilfsbereit; ganz anders als der Herr Doktor. Und nun muss sie unter seinem Joch leiden. Ich würde mich so für das Mädchen freuen, wenn sie es eines Tages zu etwas bringen würde.«
    »Ja, ich kenne Helena. Und deswegen treibe ich mich auch hier auf der Kuhweide herum. Ehrlich gesagt fühle ich mich hier auch nicht besonders wohl … Könnten wir jetzt zu deiner ruhigsten Kuh gehen, eine der Blasen am Euter aufstechen und mir das flüssige Gift übertragen?«
    »Oh, hätte ich mich nur nicht darauf eingelassen …«, flüsterte
Ernestine, als sie sich im Mondlicht zu einer seelenruhig im Gras liegenden Kuh schlich.
    »Warte, Ernestine!« Er zog sein Messer hervor. »Zuerst brauche ich noch eine Schnittwunde.« Während er an seinem gesunden Arm den Hemdsärmel hochzog, wandte er das Gesicht ab und schielte lediglich auf die Stelle am Oberarm, wo er die Messerspitze ansetzte. Hätte er vorher nur eine Flasche Wein getrunken … Er spürte einen kurzen Stich. Es brannte.
    Gregor wartete, während Ernestine sich neben die Kuh hinkniete. Er wollte nicht zusehen, aber seine Ohren nahmen jedes Geräusch auf.
    »So, jetzt spüre ich die Pusteln am Euter … Oh, ist das schwierig im Dunkeln! Zum Glück kennt mich das Vieh.«
    »Stich bloß nicht zu tief hinein, Ernestine.«
    »Schnell, jetzt kommt Flüssigkeit! Ich habe es geschafft. Hier, etwas davon ist auf der Klinge.« Sie eilte zu ihm und griff seinen Oberarm. Die Messerklinge brannte in der Wunde. Gregor biss die Zähne zusammen und sog zischend die Luft ein. Nur kein Anfall, nicht jetzt.
    Ernestine zog ein Stofftuch aus ihrer Rocktasche. »Hier, drücken Sie das auf die Wunde. Es ist sauber. Sind höchstens ein paar Tränen drangekommen.«
    »Danke.« Gregor atmete tief durch und streifte den Hemdsärmel herunter. »Nun sollten wir zurückgehen.«
    Ernestine folgte ihm. »Und was passiert jetzt? Ich meine, wie geht es weiter?«
    »In den nächsten Tagen bekomme ich wohl ein paar Pusteln an der Stelle. Wenn sie abgeheilt sind, wartet man noch eine Weile, und dann bekomme ich eine Inokulation. Wenn mich die Melkerknoten schützen, werde ich nicht krank.«
    »Aber ich muss jetzt nichts mehr tun, oder?«, kam die
bange Frage von Ernestine, als sie ihn mit kurzen Schritten eingeholt hatte.
    »Doch, bete für mich, dass ich gesund bleibe … Ernestine, hast du dir wehgetan?« Sie war gestolpert, und Gregor half ihr von der Wiese auf. »Alles in Ordnung? Hast du deinen Arm verletzt?«
    »Nein, nein, nichts passiert. Und natürlich werde ich Sie in meine Gebete einschließen.«
    Unbemerkt gelangten sie durchs Viehtor und dahinter trennten sie sich. Ernestine bog zu ihrem Haus in die Schlossberggasse ab, die um den Stiftsberg herumführte. Gregor stieg gemessenen Tempos die steilen Stufen hinauf. Die Wunde pochte und ließ ihn ständig an Helena denken. Plötzlich kam ihm ein Lied in den Sinn, das er im Krieg immer wieder auf Flugblättern gelesen hatte. Der Schreiber brachte mit den Zeilen wunderbar den Geist der Französischen Revolution zum Ausdruck, aber Gregor verband noch etwas anderes damit. Als er über den Stiftshof ging, bewegte er seine Lippen zu der Melodie, die er ständig wiederholte, während er durch die verlassenen Küchenräume zurück ins Sternenzimmer ging.
    »Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten,
Sie fliehen vorbei, wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen
Mit Pulver und Blei. Die Gedanken sind frei!
    Und sperrt man mich ein in finsteren Kerker,
Ich spotte der Pein und menschlicher Werke.
Denn meine Gedanken zerreißen die Schranken
Und Mauern entzwei, die Gedanken sind

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