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Mädchen und der Leibarzt

Mädchen und der Leibarzt

Titel: Mädchen und der Leibarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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sich.
    Sie kauerte sich an Gregor, spürte seinen schnellen Herzschlag. Was würde passieren? Gleich boten ihnen die Bücherregale keinen Sichtschutz mehr. Sie waren gefangen.
    »Gregor, bist du da? Ich möchte dir gerne das weiße Kleid zurückgeben, weil ich … weil ich jetzt gehen werde.«
    Er stieß den angehaltenen Atem aus, als ihn der Lichtkegel von ihrer Öllampe traf. »Aurelia, du?«
    »Ich dachte, vielleicht könntest du das Kleid verkaufen, wenn der Krieg vorbei ist … Helena, was machst du hier bei Gregor? An seiner Seite? Mit ihm auf dem Bett?«
    »Wir …«, begann Gregor.
    »Wir? Seid still!« Ihre Stimme brach, während ihr die Tränen über die Wangen rollten. »Warum hast du mir das nicht gesagt, Helena? Ich hätte es mir denken können! Ihr wolltet mich vor den Richter bringen! Gregor hätte meine Verfehlung bezeugt, und damit wäre ich euch aus dem Weg gewesen.«
    »Sind Sie von Sinnen?« Helenas Stimme zitterte. »Warum sollte ich so etwas tun?«
    »Weil du als Hebamme zur Anzeige heimlich Schwangerer verpflichtet bist, oder hast du das zufällig vergessen?«
    Helena blieb der Mund offen stehen.

    »Schon gut. Du brauchst nichts zu erklären. Es ist nicht zu übersehen, wie nahe ihr euch steht. Aber keine Sorge, ich habe nicht vor, euch länger im Weg zu stehen. Ich hatte ohnehin vor zu gehen. Und zwar für immer.« Zielstrebig griff sie nach dem Medizinbeutel und griff die richtige Flasche heraus. Sie löste den Korken, setzte das Wohlverleih an und trank mit großen Schlucken.
    Geistesgegenwärtig sprang Gregor auf und schlug Aurelia die Flasche aus der Hand. Das Glas zerplatzte am Boden, aber zwischen den Scherben im Dielenholz versickerte nur noch ein Rinnsal. Es war zu spät.
    Eilig raffte Aurelia ihre Röcke und rannte aus dem Zimmer. Helena stieß einen gellenden Schrei aus, einen Schrei, der Aurelia zurückholen und alles ungeschehen machen sollte.
    »Helena, bitte sei still – du verrätst uns! Gleich läuft das ganze Stift zusammen.« Er presste ihr die Hand über den Mund. »Bleib ganz ruhig hier sitzen! Ich laufe ihr nach!«
    »Nicht notwendig. Das Weib liegt ohnmächtig auf dem Flur.« Die Stimme des Leibarztes fuhr ihnen bis ins Gebein.
    »Seien Sie gegrüßt, werter Graf von Herberstein.« Er kam mit einem Lächeln auf den Lippen zu ihnen hereinspaziert. »Schön, dass wir uns nach langer Zeit wiedersehen. Es hätte mich gewundert, sollte ich mich getäuscht haben. Wie lebt es sich denn so als Deserteur in unserem Stift? Sie sehen etwas blass aus um die Nase.«

KAPITEL 13
    G eh jetzt und tu, was ich dir befohlen habe! Und kein Ton zu Helena oder der Gräfin. Zu niemandem! Dafür vergesse ich, dass ich dich in der Bibliothek gesehen habe«, zischte ihm der Äskulap zu und zog die Tür zum Stiftshof auf. »Verstanden? Du weißt, der Gräfin würde das Bekanntwerden ihrer Umstände gar nicht gut zu Gesichte stehen. Und du willst doch auch nicht, dass ich mir eine hübsche Geschichte ausdenke, in der Helena, die seelengute Hebamme, bei der Entfernung einer Leibesfrucht behilflich gewesen ist?«
    Noch benommen von dem neuerlichen Anfall, den er während der Unterredung mit dem Äskulap in dessen Höhle erlitten hatte, stammelte Gregor: »Aber Aurelia … das Wohlverleih … sie hat getrunken … braucht Hilfe.«
    Der Leibarzt packte ihn unsanft am Kinn. »Du tust jetzt genau, was ich dir gesagt habe. In sechs Wochen treffen wir uns wieder, um die Sache zu Ende zu bringen. Und bis dahin kein Wort, sonst hängst du am Galgen.« Der Leibarzt stieß ihn zur Tür hinaus, und Gregor taumelte ins Freie. Hinter ihm fiel die Türe ins Schloss.
    Die kühle Nachtluft ließ ihn erschaudern. Oder war es die Angst vor dem, was ihm nun bevorstand? Niemals hätte er geglaubt, dass sich Freiheit so bedrückend anfühlen würde. Plötzlich fehlten ihm die Wände und eine Türe, die er
hinter sich schließen konnte. Wie lange hatte er diesen Moment herbeigesehnt, und wie sehr wünschte er sich nun wieder zurück in das Sternenzimmer?
    Aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Äskulap Gehorsam zu leisten. Er musste es tun. Zum Glück kannte er sich im Stiftsbezirk aus. Das kleinere Tor auf der Rückseite war nicht bewacht, eine solch strenge Vorkehrung hielt man trotz des nahenden Feindes nicht für notwendig. Er musste also nur dorthin und möglichst ungesehen hinunter in die Stadt gelangen.
    Im fahlen Mondlicht schlich er sich dicht entlang des Gemäuers zur Hinterseite des Kirchenbaus, am

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