Mädchen! - wie sie selbstbewusst und glücklich werden
überlegten zugleich, wie sie das mobbende Mädchen unterstützen konnten, das offensichtlich in einer schwierigen Phase steckte.
Es ist wichtig, alle drei Seiten in die Lösung einzubeziehen. Das Opfer wird selbstbewusster und erhält manchmal auf lange Sicht mehr Unterstützung und die Möglichkeit, ein Gefühl eigener Stärke zu entwickeln. In Kiris Fall trug das dazu bei, dass ihr Vater mehr Zeit mit ihr allein verbrachte. Die Aggressorin wird für die Gefühle anderer, aber auch ihre eigenen sensibilisiert. Diese bestehen häufig auch aus eigenem Schmerz; sie braucht mehr Zuwendung. Das Umfeld â Schule, Familie, Arbeitsplatz â ändert sich, wenn Menschen offen über die Vorfälle sprechen, statt sie einfach zu ignorieren.
Den Mund aufmachen
Rosalind Wiseman ist für ihr Buch Queen Bees and Wannabes über Mobbing unter Mädchen weltbekannt geworden. Sie ist die Tante, die sich Mädchen immer gewünscht haben: freundlich, aber immer klar und geradeheraus in ihren Ratschlägen. Wiseman unterrichtete lange Zeit Mädchen in Selbstverteidigung, und ihre Schülerinnen schilderten ihr oft ihre persönlichen Probleme mit Mobbing und Cliquenbildung. Inzwischen organisiert sie hauptberuflich Kampagnen für einen respektvollen zwischenmenschlichen Umgang. Ihre Anweisungen zu Mobbing sind sehr präzise:
Wenn etwa eine 13-Jährige von einem Jungen mit obszönen Bemerkungen über ihren Brustumfang belästigt wird, empfiehlt sie ihr Folgendes: »Schreib ganz genau auf, was er zu dir gesagt hat, wann und wo, und was dabei in dir vorging. Halte all das fest. Geh dann damit zu dem Betreuer, Lehrer oder auch jemandem in der Verwaltung, den du am besten geeignet findest, und bitte die Person um Hilfe. Es ist dein volles Recht, dich dagegen zu wehren, so angeredet zu werden.« 32
Als die Mutter und die Tante einer 14-Jährigen Wiseman zu erotischen SMS befragte, die das Mädchen an Jungen schickte, empfahl sie, die Privatsphäre komplett zu ignorieren: »Sie sind Eigentümerin des Handys und zahlen die Rechnung. Es ist Ihr Handy. AuÃerdem sind SMS nicht privat. Jeder kann sie lesen und weiterleiten. Wer Privatsphäre will, soll Tagebuch schreiben. SMS gehören zum öffentlichen Verhalten, und darüber müssen die Eltern Bescheid wissen.«
Zwar plädiert Wiseman ohne Wenn und Aber dafür, hier einzuschreiten. Doch es fehlt ihr nicht an Verständnis für die beteiligten Kinder: Das Mädchen möchte interessant, sexy und erwachsen auf die Jungen wirken. Aus ihrer eigenen Sicht tut sie das auch. Auf die Jungen wirkt es aber so, als würde sie für das, was sie schreibt, auch zur Verfügung stehen. Egal, ob das stimmt oder nicht, Eltern müssen hier eingreifen, um die Tochter zu schützen, denn sie wissen um die Konsequenzen. Sie sollten einfühlsam und freundlich klare Grenzen setzen.
Die Rolle der Zuschauer
Wisemans Untersuchungen haben auch die Bedeutung der Zuschauer unterstrichen. 2011 arbeitete sie an einer Dokumentation für die Sendung Dateline des amerikanischen Senders NBC mit. In einem sehr eindrücklichen, erhellenden Experiment wurden Mädchen im Fernsehstudio in einem groÃen Raum allein gelassen, unter dem Vorwand, sich für einen Beitrag über Mode Kleidung auszusuchen.
Was die Mädchen nicht wussten: Drei in ihrer Gruppe waren professionelle Schauspielerinnen. Zwei fingen auf ein Stichwort an, die Dritte zu beschimpfen (etwa wegen ihres Gewichts oder ihrer Kleidung), und warteten darauf, wie die anderen reagieren würden: Würden sie helfen oder mitmachen? Von einem Nebenraum aus wurden die Mädchen von ihren Eltern beobachtet.
Es folgten eindringliche und bewegende Szenen. Weil jeder von uns im Leben schon einmal in einer solchen Situation war, ist es schwer, dabei unbeteiligt zuzusehen. In bestimmten Momenten meldeten sich die Umstehenden zu Wort. Vor allem ein Mädchen verhielt sich ganz groÃartig, indem es den beiden Schauspielerinnen schlicht verbot, so mit dem dritten Mädchen umzugehen. Aber in anderen Testgruppen, wenn die Mädchen nervös oder unsicher waren, beteiligten sie sich an der Verspottung. (Es ist beim Mobbing eine ganz typische Strategie, andere auf seine Seite zu ziehen, bevor man sich das nächste Opfer aussucht. Gerade unsichere Mädchen lassen sich darauf ein, weil sie Angst haben, sonst selbst zur Zielscheibe zu werden.)
Den
Weitere Kostenlose Bücher