Maedchenauge
ich dich noch was fragen? Hast du mal etwas von verschwundenen Pratorama -Akten und einem ebenso verschwundenen Foto gehört?«
»Verschwundene Akten? Zu Pratorama ? Na, das interessiert mich aber.«
»Davon hat mir der Vater von Sabine Foltinek erzählt. Er erinnert sich ganz genau, dass es Unterlagen zu Pratorama gegeben hat, die Felix Bawart in der Wohnung von Sabine Foltinek hinterlegt hatte. Später waren sie verschwunden. Herr Foltinek behauptet, dir dazu einen Brief geschrieben zu haben.«
»Völlig richtig, ich kann mich daran erinnern. Ich habe ihm zurückgeschrieben und mich für seinen Hinweis bedankt.«
»Aber warum hast du mir nichts von diesen verschwundenen Akten erzählt, Oliver?«
»Lily, es gibt gar keine verschwundenen Akten. Was Herr Foltinek möglicherweise vermisst, sind Unterlagen, die ich in der Wohnung beschlagnahmt habe. Eben weil ich ja Pratorama aufklären muss. Ich habe ihm das ganz bewusst nicht genau erklärt. Es gibt ohnehin schon so viele Informationen, die in der Öffentlichkeit kursieren. Und Angehörige von Verbrechensopfern werden gerne von Boulevardreportern in die Mangel genommen.«
»Das stimmt leider.«
»Deswegen habe ich ihm einen Brief geschrieben, der eher allgemein gehalten war. Einem Journalisten, der ihn in die Hand bekommt, hilft er nicht weiter. Du kannst die beschlagnahmten Unterlagen jederzeit bei mir einsehen. Nur werfen sie kein neues Licht auf den Mordfall. Aus diesem Grund habe ich völlig darauf vergessen und dich nicht informiert. Der Mord hat mit Pratorama offenbar nichts zu tun. Zumindest ist mir bis dato nichts aufgefallen, das eine solche These belegen könnte.«
»Und das verschwundene Foto?«
»Richtig, das hat Herr Foltinek mir gegenüber behauptet. Allerdings hat er dieses Foto nicht genau beschreiben können. Also wie die Personen aussehen, welche Kleidung sie tragen, was im Hintergrund zu sehen ist und so weiter. Und er hat nicht gewusst, wer darauf neben seiner Tochter abgebildet war. Nicht einmal die Namen hat er gekannt. Das alles ist ziemlich vage.«
»Ja, mir hat er auch nicht viel mehr sagen können.«
»Ich wüsste keinen Grund, weshalb ein obskures Foto verschwinden oder gestohlen werden sollte. Oder auf welche Weise ein Foto mit drei jungen Mädchen auf Pratorama hindeuten sollte. Den Kopf habe ich mir schon genug zermartert. Eingefallen ist mir dazu null.«
»Schade, Oliver«, sagte Lily. »Jedenfalls bin ich dir sehr dankbar, dass du dir an einem freien Sonntag Zeit für meine Fragen genommen hast. Das war wirklich sehr, sehr hilfreich.«
»Gerne, Lily. Du weißt, dass du mich immer anrufen kannst, wenn du irgendetwas brauchst. Und sollte mir doch noch irgendeine Idee zu dieser Sache kommen, lasse ich es dich sofort wissen.«
Die Spur schien so klar gewesen zu sein. Im Moment führte sie nicht weiter. Es gab undeutliche Indizien, nicht mehr.
Was sie in den vergangenen Stunden gehört hatte, warf zudem ein seltsames Licht auf den Mann, den sie im Volksgarten getroffen hatte. Lily fragte sich, ob das, was er ihr erzählt hatte, vielleicht besonders geschickte Desinformation gewesen war. Um sie zu verwirren, von der richtigen Spur abzubringen oder geschickt auf eine falsche Fährte zu locken.
Und wieder dachte Lily an den bösen Verdacht, der zuletzt in Herrn Foltineks Wohnung über sie gekommen war.
Dass sie dem Mörder niemals so nahe gewesen war wie an jenem Donnerstag beim Theseustempel.
*
»Es sieht wieder einmal überhaupt nicht gut aus«, sagte Major Belonoz.
Den Kopf in die Hände gestützt, saß er an seinem Schreibtisch. Vor ihm stand ein Glas Eistee. »Das ewig gleiche Spiel. Neue Informationen, die zunächst vielversprechend klingen. Aber der Erkenntnisgewinn ist gleich null. Fast könnte man denken, irgendjemand will uns bewusst verwirren.«
Er sah Lily an.
Sie nickte. »Nicht nur Sie haben diesen Verdacht. Mir scheint, dass ein Verschleierungsmanöver im Gang ist. Vielleicht weil wir der Lösung nahe sind. Deshalb sollen wir vom Weg abgebracht werden. Aber wer ist es, der uns verwirrt?«
»Ich weiß nicht, waren Sie es, Frau Doktor, oder war ich es, der sich über die Überfülle an Hinweisen und Indizien in diesem Fall gewundert hat. Den Gipfel haben wir jetzt erreicht. Verschwundene Akten, die gar nicht verschwunden sind. Und ein obskures Foto mit drei Mädchen. Am schönsten wäre es, wenn diese drei Mädchen auch noch unter den Mordopfern wären. Die Verwirrung wäre perfekt.«
»Mir ist dieser
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