Maedchenauge
in die zwei Tassen. »Sehr gerne, kein Problem. Nachdem ich so lange darauf gewartet habe, bin ich froh darüber.«
Lily stutzte. »Entschuldigen Sie, aber worauf haben Sie schon so lange gewartet?«
»Darauf, dass etwas weitergeht. Dass die Behörden den Fall genauer untersuchen. Aber jetzt sind ja Sie da.«
»Interessant. Sie haben das Gefühl, dass … zu wenig getan worden ist?«
»Ich habe mich sehr gewundert.«
»Aber man hat Sie befragt, ich habe das Vernahmeprotokoll gründlich gelesen.«
»Sicher, das war sogar ein sehr langes Gespräch. Aber dann habe ich nichts mehr von den Behörden gehört. Dieser … ein Herr namens Belonoz … ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen …«
Lily befürchtete Böses. »Ja, den kenne ich … Was ist mit ihm?«
»Der war äußerst zuvorkommend und hat mir aufmerksam zugehört. Auf mich hat er sehr engagiert gewirkt. Ich bin überzeugt, er ist allen Spuren nachgegangen. Aber nach dem zweiten Mord hat das Interesse am Tod von Sabine stark nachgelassen.«
Lily war dieses Gefühl eines Angehörigen eines Mordopfers vertraut. Es war beinahe die Regel, dass sich Angehörige vernachlässigt vorkamen. Der Verlust des geliebten Menschen hinterließ eine Lücke. Was immer die Polizei unternahm, es war nie genug.
»Ich kann Ihnen versichern, Herr Foltinek, dass wir Sie und Sabine nicht vergessen haben«, sagte sie freundlich und zugleich bestimmt. »Ganz im Gegenteil. Darum bin ich heute hier bei Ihnen. Bitte glauben Sie mir, dass meine Kollegen von der Kriminalpolizei sehr intensiv mit den Ermittlungen beschäftigt sind.«
Foltinek nahm einen kleinen Schluck von seinem Kaffee. »Ja, das glaube ich Ihnen, Frau Staatsanwältin. Außerdem habe ich von Ihnen in der Zeitung gelesen. Sie sind die Neue. Und Sie haben sich viel Renommee erarbeitet.«
»Ein Herr namens Salusek könnte das anders sehen«, sagte Lily und lächelte.
»Sie können ruhig stolz sein auf das, was Sie erreicht haben. Wissen Sie, ich bin ein alter Lehrer. Meinen Schülern habe ich immer erklärt, dass man auf eigene, selbst erarbeitete Leistungen stolz sein muss. Wer ständig mit sich selbst unzufrieden ist, kommt nie zur Ruhe. Der ist dazu verdammt, immer noch Besserem nachzujagen. Wie ein Süchtiger auf der Suche nach dem nächsten Schuss.«
»Sie haben Latein unterrichtet, wenn ich mich nicht irre.«
»Genau. Eine tote Sprache. Und doch sehr lebendig, was ich einer Juristin nicht erklären muss. Jetzt kommen wir aber zum Grund Ihres Besuchs. Was führt Sie zu mir?«
»Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich auf der richtigen Fährte bin. Aber mich interessiert, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Tod Ihrer Tochter und dem Suizid von Herrn Bawart.«
Foltinek beäugte Lily intensiv. Mit einem Mal schien es, als hätte er sein freundliches Auftreten abgeschüttelt. Sein Tonfall wurde klar und nüchtern. »Ich habe mich also nicht in Ihnen getäuscht. Sie haben ins Schwarze getroffen.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Lily.
»Genau darum geht es nämlich. Eben nicht ausschließlich um meine Tochter. Sondern auch um Felix Bawart. Dass man diesen Kontext nicht näher untersucht hat, hat mich ja so erstaunt. Und dass ich nichts darüber in der Zeitung gelesen habe.«
Lily holte ein Notizbuch aus ihrer Tasche. »Stört es Sie, Herr Foltinek, wenn ich mir ein paar Stichworte aufschreibe?«
»Im Gegenteil, das finde ich sogar sehr gut. Das gibt mir das Gefühl, dass Sie mich ernst nehmen.«
»Sie glauben also, dass Bawarts Tod eine größere Rolle spielt, als bisher angenommen?«
»Ich meine Pratorama , Frau Staatsanwältin. Diesen Skandal. Jeden Tag berichten die Medien darüber. Jetzt etwas weniger, weil die Morde offenbar für mehr Aufsehen sorgen. Nur, über die Verbindung, die es dazwischen gibt, schreibt niemand.«
Lily ermahnte sich, ihre Gefühle nicht zu zeigen und Entspanntheit vorzutäuschen.
»Wahrscheinlich ist das niemandem aufgefallen«, sagte sie betont locker. »Mir auch erst jetzt, offen gestanden.«
»Sie, Frau Staatsanwältin, trifft keine Schuld. Vor allem weil Sie erst eine Woche in dieser Causa ermitteln. Immerhin sind Sie jetzt zu mir gekommen. Und auch mir ist die Verbindung zwischen dem Skandal und Sabines Tod zunächst nicht aufgefallen. Aber als ich bemerkt habe, was verschwunden ist, habe ich mir …«
Lily nahm rasch die Kaffeetasse, an der sie gerade genippt hatte, von ihren Lippen. » Was ist verschwunden, Herr Foltinek?«
»Ich habe mich um Sabines Wohnung
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