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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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in ihr die Überzeugung, die richtige Strategie gewählt zu haben.
    Nicole Saborsky benötigte Freiheit wie die Luft zum Atmen. Sie glich einem wilden Tier, das in einen Käfig gesperrt worden war. Die vage Ankündigung, dass erst morgen oder gar übermorgen das nächste Verhör stattfinden werde, sollte sie schockieren.
    Belonoz trat auf den Korridor, Lily folgte ihm. Die Tür wurde gerade geschlossen, als aus dem Verhörzimmer exaltiertes Gebrüll zu vernehmen war.
    »Ich will reden! Und zwar jetzt! Sofort! Hört ihr mich nicht, ihr vertrottelten Schweine?«
    *
    Draußen schien die Luft zu glühen. Dennoch bestand Lily darauf, die Fenster in Belonoz’ stickigem Büro kurz zu öffnen.
    »Es wird hier drinnen irrsinnig heiß werden, Frau Doktor«, sagte der Major.
    »Egal. Nach diesem Aufenthalt in der klimatisierten Dämmerung des Verhörzimmers ist mir das willkommen. Ich brauche Sommer, Sonne, Hitze. Ich brauche das Leben.«
    Belonoz verkniff sich einen Kommentar und ließ die warme Luft hereinströmen. Er setzte sich an den Schreibtisch und lehnte sich weit zurück. »Eine unangenehme Person, diese Nicole Saborsky.«
    Lily lächelte milde. »Ihr Leben ist bisher immer nur nach ihren eigenen Regeln verlaufen. Sie hat gelernt, andere Menschen zu manipulieren. Je nach Situation ist sie lieb und nett oder trotzig und widerspenstig. Das hat sie von Kindesbeinen an aufgesogen. Ich bin schon gespannt auf den Lebenslauf, den mir Frau Bardel besorgen wird.«
    Belonoz holte aus der Sakkotasche eine Schachtel mit kubanischen Zigarillos und zündete einen davon an. »Wie schätzen Sie die Vernehmung ein, Frau Doktor?«
    »Sie versucht ein Katz-und-Maus-Spiel mit uns. Natürlich hat sie mit uns sprechen und nicht weiter in einer Zelle schmoren wollen. So ist ihr Leben. Sie ist es gewohnt, andere Menschen für ihre Zwecke einzuspannen.«
    »Wieso macht sie das?«
    »Weil sie das von klein auf so gewohnt ist. Sie verhält sich so, als wäre sie nicht zweiundzwanzig, sondern zwölf. Ihre Biografie wird das vielleicht erklären.«
    »Ist sie die Täterin? Tom Saborsky wirkt eher passiv.«
    Lily dachte nach. »Schwer zu sagen. Das Seltsame ist, dass sie bei mir keine Gefühle hervorruft. Ich weiß nicht, wie ich sie einschätzen soll. Wir müssen weitere Fakten recherchieren.«
    »Jedenfalls hat sie Selma Jordis anscheinend nicht gemocht.«
    »Was kein Mordmotiv ist, aber zumindest ein interessantes Detail. Vielleicht hat Nicole einfach begriffen, dass Selma das genaue Gegenteil von ihr war. Manchmal führt das zu Sympathie, in anderen Fällen zu erbittertem Hass. Dabei kommt Tom Saborsky ins Spiel. Er hat Selma offenkundig sehr gemocht.«
    »Seltsam, diese Beziehung zwischen Tom und Selma. Auf den ersten Blick scheint es nichts zu geben, das sie verbindet. Die Intellektuelle und der Schönling.«
    Mit der entsprechenden Kopfbewegung verneinte Lily. »Sie irren sich, Herr Major. Stellen Sie sich Toms Situation innerhalb der Familie Saborsky vor. Da hat es den starken, dominierenden Vater und dessen gute Beziehungen gegeben. Außerdem seine beiden Schwestern. Also Familienbande, von denen er sich vielleicht eingeengt gefühlt hat. Bei Selma Jordis war es ähnlich. Außerhalb von Familie und Studium hat es für sie kein wirkliches Leben gegeben. Möglicherweise hat sie Tom als Chance gesehen, den Bindungen zu entfliehen. Auch bei ihm könnte es so gewesen sein.«
    »Fein, aber warum diese Beziehung?«
    »Sie waren sehr konträre Persönlichkeiten, und ihre Beziehung hätte womöglich nicht lange gehalten. Aber als sie einander getroffen haben, waren beide unbewusst auf der Suche nach einer Person, die ihnen den Ausstieg aus den bisherigen Lebensumständen garantiert. Das ist natürlich nur eine Vermutung von mir, aber vielleicht erfahren wir beim Verhör von Tom mehr … wobei mir gerade auffällt, dass es an der Zeit ist, damit anzufangen.«
    Auf dem Korridor vor dem Verhörzimmer erblickte Lily eine vertraute Gestalt.
    »Was machen Sie denn hier?«, fragte sie Georg Sima.
    »Das Gleiche wie Sie, Frau Kollegin, arbeiten«, sagte der Strafverteidiger breit lächelnd. »Herr Saborsky hat mich zu seinem juristischen Beistand erkoren.«
    »Ein interessanter Zufall.«
    »Mein Ruf eilt mir offenbar voraus, Frau Kollegin. Übrigens sage ich Ihnen gleich, dass Herr Saborsky nichts mitzuteilen hat. Wir haben uns darauf geeinigt, zuerst einmal Ihre Ermittlungsergebnisse abzuwarten.«
    Lily wollte etwas erwidern. Doch sie spürte das Brummen

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