Maedchenauge
heute sehr leid tut … Jedenfalls hat Lena plötzlich sehr wütend gesagt, dass sie in Klausen … dass sie dort etwas Unerträgliches erlebt hat. Sie hat alles aus sich herausgeschrien … Ich habe sie zuvor und danach nie wieder mehr so aufgeregt gesehen … Sie hat gesagt, dass sie zum ersten Mal Sex gehabt hat und keine Jungfrau mehr ist, und dass alles schmutzig war und gegen ihren Willen geschehen ist … Mein Mann und ich waren völlig ratlos, wie wir reagieren sollten. Magdalena hat gemeint, dass Vertrauen in andere Menschen sinnlos ist … weil sie auch jemandem vertraut hat, der aber dieses Vertrauen missbraucht hat … Sie hat gesagt, dass aus einem Abenteuer mit einem älteren Mann etwas Schmutziges geworden ist … und dass sie so etwas nie wieder erleben möchte … Seitdem war Magdalena ein anderer Mensch. Es hat viel Zeit gebraucht, aber irgendwann haben wir uns daran gewöhnt. Man liebt die eigene Tochter, also … passt man sich an.«
Sie schwieg, und die intensive, zugleich hilflose Art, in der sie Lily ansah, zeigte, dass Frau Karner nahezu ihre gesamte Energie bei diesem Erinnerungsprozess aufgebraucht hatte.
Doch Lily wusste, dass sie die Gunst der Stunde nutzen musste und an diesem Punkt nicht aufhören durfte. »Das ist nicht alles, oder?«
»Es hat nicht lange gedauert, bis sie uns dazu gezwungen hat, Dienten zu verlassen. Sie hat damit gedroht, sich sonst umzubringen. Es war ihr absolut ernst, das haben wir gemerkt. Also sind wir nach Salzburg gezogen, was eine enorme Umstellung bedeutet hat … aber Magdalena ist es dann besser gegangen. Sie war wieder offener, wenn auch nie mehr so wie früher … Das Gymnasium hat sie abgeschlossen und ist zum Studium nach Wien gegangen. Das war ihr großer Traum … Dazwischen kam Sebastian Emberger … Er war von Lena hingerissen, das war eine völlig verrückte Geschichte, die uns wirklich berührt hat … Als sie gemerkt hat, wie stark er sie verehrt, hat sie ihn fallenlassen. So war die Situation bis vor einigen Wochen.«
»Was ist da passiert?«
»Magdalena war plötzlich sehr nervös. Sie hat uns auch öfter besucht als früher … Wir haben uns erst darüber gefreut, aber uns dann gefragt, was dahintersteckt … Vor zwei Wochen hat sie es nicht mehr ausgehalten … Sie hat uns gebeichtet, dass auch andere Mädchen, die damals in Klausen waren, ähnliche Erfahrungen wie sie gemacht haben … genauer gesagt, drei Mädchen …«
»Drei Mädchen? Inklusive Magdalena also insgesamt vier?«
»Ja, stimmt … Sie hat ihre Namen erwähnt … und zwei von ihnen sind in Wien ermordet worden … Sie hat solche Angst gehabt … aber dann hat sie plötzlich gelacht und gesagt, dass das sicher alles nur Zufall ist …«
»Kennen Sie die Namen der Mädchen?«
»Ich erinnere mich nicht mehr daran, leider … aber es hat ein Foto gegeben, wo diese drei Mädchen zusammen abgebildet waren.«
Ein Foto mit drei Mädchen.
»Wo ist dieses Foto?«, fragte Lily wie elektrisiert und dachte an Herrn Foltinek. Und vor allem an den toten Hans Labuda, der beides erwähnt hatte, das Foto und Pratorama .
Nein, so viel Zufall gab es nicht. Hier war sie, die richtige Fährte. Jene, die zum Mörder führen würde. Dessen Namen Lily noch nicht kannte, aber dessen Gegenwart bereits zu spüren war. Er, der gemordet hatte, war in unmittelbarer Nähe. Sein Vorsprung war geschwunden.
»Das Foto war hier im Zimmer von Lena. Vor einigen Wochen hat sie es mit nach Wien genommen.«
»In ihrer Wohnung haben wir kein solches Foto gefunden.«
Frau Karner wurde resignativ. »Dann kann ich Ihnen leider auch nicht helfen …«
Vorsichtig durchbrach Lily das kurze Schweigen, das zwischen ihnen entstanden war. »Hat Ihnen Magdalena im Detail erzählt, was in Klausen vorgefallen ist?«
Frau Karner nahm eine abwehrende Haltung ein und wurde scheu. »Nein, nie. Sie hat lediglich gesagt, dass sie und die anderen Mädchen von einem Mann, der älter war als sie, missbraucht worden sind. Ich weiß noch genau, wie Magdalena dieses Wort missbraucht ausgesprochen hat. Ich habe gespürt, dass meine Tochter verletzt worden ist. Und dann hat sie noch gemeint, dass man Leuten nicht trauen darf, die sich besonders fromm und vorbildlich geben. Magdalena hat gesagt: Das sind die größten Heuchler, sie missbrauchen und zerstören andere Menschen. Mit Religion oder Glauben hat sie nach dem Jugendcamp in Klausen nie mehr wieder etwas zu tun haben wollen.«
»Das verstehe ich gut … Nur … warum
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