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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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seinen Augen los?«
    Zum ersten Mal schien Karner leicht irritiert zu sein. »Mit welchen Augen? Die vom Zach meinen Sie?«
    »Ja, die meine ich.«
    »Na, kurzsichtig war er jedenfalls nicht … Der hat alles gesehen und brav geschwiegen.«
    Lily erhob sich. Sie drehte eine Runde durch das Verhörzimmer und massierte sich die Stirn. Dabei fühlte sie, wie Karners Blicke an ihr hafteten. Sie setzte sich wieder, nahm das vor ihr stehende Glas Wasser und trank es aus. Milde sah sie Karner an. »Gestatten Sie mir eine Frage. Warum, Herr Karner? Warum haben Sie es getan?«
    Er erwiderte ihren Blick, wirkte jedoch eher stur als ehrlich. Und schwieg.
    »Warum?«, fragte Lily erneut. »Erinnern Sie sich an unser Treffen in Wien. Und daran, was Sie am Ende zu mir gesagt haben. Jetzt möchte ich, dass Sie mir helfen. Denn ohne Ihre Hilfe schaffe ich es nicht.«
    Karner blickte hinunter auf die leere Tischplatte vor ihm. Zaghaft und leise begann er zu sprechen. »Der Zach war an allem schuld … Er hat der Lena etwas angetan, das weiß ich genau … auf der Jugendreise, die er vor zehn Jahren organisiert hat … Danach war die Lena ein anderer Mensch, sie ist plötzlich so schüchtern gewesen … und immer hat alles ganz sauber sein müssen bei ihr …«
    »Was ist auf dieser Reise passiert?«
    »Dort haben sie die alte Lena kaputtgemacht … Sie hat es meiner Frau erst viel später gestanden … Missbraucht ist sie worden. Schwer missbraucht. Von diesen Drecksäuen.«
    Karner hatte zuletzt mit hochrotem Kopf geschrien. Zugleich flossen Tränen aus seinen Augen, seine Faust hämmerte mehrmals auf die Tischplatte. Er bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Er zitterte am ganzen Körper.
    Lily beugte sich vor. Sie berührte vorsichtig seine Arme.
    Da schaute Karner auf. Aus seinen nassen Augen drang ein Blick zu Lily, den sie nie wieder vergessen würde. Von dem Schrecken, den er gerade in Gedanken durchgemacht hatte, und von der Wut auf das Gewesene erzählte er ebenso wie von der Dankbarkeit, dass etwas aus ihm herausgeplatzt war, das er viel zu lange in sich verborgen gehalten hatte.
    »Danke für Ihre Offenheit«, sagte Lily kaum hörbar. »Jetzt gehen Sie und ruhen sich aus. Jetzt sofort. Das wünsche ich mir von Ihnen, Herr Karner. Und ich verspreche Ihnen, dass wir einander wiedersehen. Hunderprozentig.«
    Erst nach fast einer Minute bewegte sich Karner, wie in Zeitlupe erhob er sich. Fast ständig blieb er mit Lily in Blickkontakt. Er schwieg. Als wollte er, dass sie intuitiv erfasste, was in ihm los war, weil er keine Worte mehr dafür besaß. Noch im Türrahmen, während ihn der Justizwachebeamte abführte, blieb er stehen und warf Lily einen flehentlichen Blick zu.
    Draußen wartete Descho. Und gab sich gar nicht erst Mühe, seine Neugier zu verhehlen. »Hat er was gesagt?«
    So aufgeregt er gerade noch gewesen war, plötzlich hielt er sich zurück. Weil ihm auffiel, dass Lily abwesend wirkte und in Gedanken versunken war.
    »Ja, das hat er, Herr Descho. Und viel mehr, als ich erwartet hatte … Ich glaube, ich beginne zu verstehen … Organisieren Sie bitte ein Auto, wir müssen sofort zu Frau Karner fahren. Und sorgen Sie bitte dafür, dass Herr Karner beobachtet wird. Pausenlos. Verlegen Sie ihn in eine geeignete Zelle mit Videoüberwachung. Er befindet sich in einer emotional extrem instabilen Verfassung. Ich möchte nicht, dass er sich etwas antut.«
    Vier Minuten später rasten Lily und Descho mit Blaulicht zum Haus der Karners. Erst als die Stille zu lange über ihnen gelastet hatte, gestattete sich Descho eine Frage. »War Karner der Täter?«
    Lily sagte nichts. Erst als Descho dachte, keine Antwort zu erhalten, begann Lily zu reden. »Zuerst möchte ich Ihnen danken, Herr Descho. Weil Sie dafür gesorgt haben, dass die Medien nichts von den ausgestochenen Augen Zachs erfahren haben.«
    »Sie haben es angeordnet, Frau Doktor, also habe ich es so gemacht.«
    »Jedenfalls habe ich Karner auf die Augen angesprochen … Nein, Karner ist nicht der Mörder. Er hat keine Ahnung, was wirklich mit Zach geschehen ist.«

33
    Das ist die zweite Expedition, um Magdalena Karner und ihren Mörder besser kennenzulernen, überlegte Lily beim Betreten des Hauses.
    Sie erinnerte sich, wie sie Magdalenas Wiener Wohnung erforscht hatte. Ihr fiel die irritierend sterile Atmosphäre wieder ein. Danach dachte sie an Belonoz’ plötzlichen Aufschrei und die Verhaftung des Voyeurs. Seltsam fern schien ihr das alles. Die Intensität

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