Maedchenauge
Fehlverhalten von Gaby Koch selbst in ein schiefes Licht zu geraten.
Eine schnelle Durchsicht der Artikel ergab, dass Koch als Gesellschafts- und Klatschreporterin begonnen hatte. Doch nicht als große Nummer. Sie hatte lediglich lokale Wiener Ereignisse behandelt, teilweise als Vertretung für Kolleginnen. Allerdings fiel auf, wie oft Tom Saborsky regelrecht in die Artikel hineingeschrieben worden war. Oft konnte er bestenfalls ein zufälliger Gast bei irgendwelchen Veranstaltungen gewesen sein. Dennoch hatte es Koch fertiggebracht, seinen Namen im Text unterzubringen, gelegentlich sogar mit Bild. Offenbar war Tom zum Protegé erkoren worden. Was allerdings kaum geholfen hatte. Seine bescheidene Prominenz hatte sich nicht vergrößert. Er war einer von vielen geblieben.
Lily nahm die aktuelle Ausgabe von Clip24 zur Hand, die sie einer der Kartonboxen entnommen hatte, die in Wien herumstanden. Erneut hatte sich Gaby Koch mit den Verhaftungen beschäftigt. Diesmal jedoch war ihr Ton bereits zurückhaltender ausgefallen. Das Rätselraten geht weiter , hieß es groß und fett, darunter etwas kleiner: Staatsanwältin warnt: Keine Vorverurteilungen! Im Text wurde wortwörtlich aus der Presseaussendung zitiert, die Lily gestern veranlasst hatte: Sogar formell Beschuldigte gelten bis zu einer Verurteilung als unschuldig. Die verhafteten Personen wurden noch gar nicht einer Straftat beschuldigt, sondern gelten lediglich als verdächtig. Vorverurteilungen sind daher ebenso unangebracht wie die Hoffnung, die Mordserie sei damit aufgeklärt .
Was für ein Unterschied zu den bisherigen Artikeln. Und Lily selbst hatte diese drei Sätze als die wichtigsten ihres Bulletins empfunden. Dass sie in Clip24 zitiert wurden, registrierte sie mit Befriedigung. Die professionell manikürten Hände Sasha Boninos mochten mit im Spiel gewesen sein.
*
Lily traf in der Kriminaldirektion ein. Und sie traute ihren Augen nicht.
Belonoz empfing sie beinahe strahlend. An diesen Anblick musste sie sich erst gewöhnen. Verglichen damit, wie sie ihn bisher erlebt hatte, schien er nun geradezu unter dem Einfluss euphorisierender Substanzen zu stehen. Permanent umspielte ein Lächeln seine Lippen, seine Augen muteten deutlich vergrößert an.
Sie zog ihn beiseite und sprach ihn leise an: »Herr Major, Sie machen mir Angst. Sind sie aufgeputscht?«
»Keine Sorge«, sagte er und lachte auf, was Lily auch noch nie von ihm gehört hatte. »Das liegt an den Ermittlungen meiner Leute. Ich bin schon gespannt, was Ihre bei uns schon berüchtigte Intuition dazu sagen wird.«
»Na gut. Läuft die italienische Connection?«
»Selbstverständlich. Casoni hat mich heute angerufen. Die Informationen haben wir spätestens morgen früh. Wenn es sein muss, können die Italiener flink sein. Dann dürfen sie ihre Lust an der Improvisation voll ausspielen. Die Digos hat beste Verbindungen zu den italienischen Nachrichtendiensten. In Italien gibt es fast nichts, was sie nicht herausfinden können. Eigentlich gefährliche Typen, aber uns soll es recht sein.«
»Na hoffentlich.«
»Wenn die Italiener am Werk sind, hat der Teufel ausgespielt. Das machen die schon selbst.«
Zu Beginn der Sitzung bemerkte Lily, dass Nika Bardel fehlte.
»Die kommt nach«, sagte Belonoz gutgelaunt. »Sie hat noch was zu erledigen.«
Lily sah ihn an. Sein neues Verhalten war ihr noch immer nicht geheuer. »Okay, also dann her mit den guten Neuigkeiten.«
Marlene Metka fing an. »Das für meinen Bereich Interessanteste sind die Ergebnisse der medizinischen Checks von Tom und Nicole. Spuren von Drogen sind nicht gefunden worden.«
»Wie bitte?«, fragte Lily überrascht, während sie aus dem Augenwinkel Belonoz glücklich lächeln sah.
»So ist es aber«, sagte Metka ruhig. »Die Haar- und Blutanalyse zeigt, dass beide kein Heroin konsumiert haben. Lediglich ein bisschen Cannabis ist nachweisbar. Sonst nichts.«
Lily dachte nach. »Das bedeutet … dass entweder der Dealer gelogen hat …«
Der Major unterbrach sie. »Was nicht sein kann. Schließlich konnte die Verhaftung dank seiner Mitwirkung stattfinden. Ihm hat es genützt, dass er die beiden erkannt hat. Was sie ihm abgekauft haben, war für ihn völlig egal.«
»Wenn also stimmt, was der Dealer behauptet, haben sie zumindest das Heroin gar nicht für sich selbst beschafft. Sondern für dritte Personen … Das könnte auch erklären, warum sie so beharrlich schweigen. Sie wollen jemanden schützen.«
»Und da kommen
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