Maedchenauge
Breiten Gasse aufgefallen. Neugierig hatten sie sich bei der Absperrung versammelt. Vom Alkohol waren sie zwar kaum beeinträchtigt gewesen, doch beflügelt genug, laut Fragen zu stellen und das Geschehen zu kommentieren.
Marlene Metka war auf sie aufmerksam geworden. Rasch hatte sie herausgefunden, dass sich die Gruppe seit dreiundzwanzig Uhr im Museumsquartier herumgetrieben hatte. Also hatte sie ihnen ganz locker ein paar Fragen gestellt. Darunter auch, ob ihnen irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen sei.
Zuerst hatten die fünf Schüler lachend und grinsend verneint. Das Ungewöhnlichste, hatten sie prustend geprahlt, sei das Bestehen der Matura gewesen. An das hätten sie nie geglaubt.
Bis einer von ihnen gemeint hatte, dass der Mann mit dem Helm ja ebenfalls ganz schön ungewöhnlich gewesen sei. Feixend hatten ihm die anderen zugestimmt.
Da hatte sich Marlene Metkas Puls beschleunigt.
Ein Mann. Mit einem Helm .
Betont harmlos hatte sie sich erkundigt: »Da gehen im Museumsquartier also Leute herum und haben einen Helm auf?«
»Könnte ein neuer Modegag sein«, hatte einer der Maturanten gegrölt und gelacht.
»Wie hat er ausgesehen?«
»Na ja, total in Schwarz … Leder, glaube ich … So ist der durchs Museumsquartier marschiert. Unfassbar, wie der Typ drauf gewesen sein muss. Aber irgendwie cool. Was der geschluckt hat, möchte ich echt nicht wissen.«
Metka hatte kein Wort mehr gesagt. Die Maturanten hatten auf das Weiterfeiern verzichten und ihre Aussagen zu Protokoll geben müssen.
Die Angaben der jungen Männer hatten sich mit dem gedeckt, was Lily vom Voyeur Horvath im Verhör anvertraut worden war. In der Nacht von Magdalena Karners Ermordung habe er in ihrer Wohnung eine fremde Person beobachtet. Sehr langsam sei diese Person durch die Wohnung geschritten. Und sie habe einen Motorradhelm getragen und sei in einen Overall aus schwarzem Leder gekleidet gewesen. Dies sei durch den Feldstecher ganz klar feststellbar gewesen. Er sei dann, hatte Horvath behauptet, ein Nachtsichtgerät holen gegangen. Bei der Rückkehr sei die Person jedoch wieder verschwunden gewesen.
»Sind diese Zeugen wirklich glaubwürdig?«, insistierte Steffek.
»Sie sind es durch ihre Aussagen«, sagte Metka. »Bis zum gestrigen Verhör von Horvath war das absolutes Täterwissen.«
»Könnte das nicht Zufall sein? Ich meine, dass eben zufällig irgendein Motorradfahrer dort durchmarschiert ist?«
»Das wären ziemlich viele Zufälle«, sagte Kovacs. »Da passiert ein Mord an einem jungen, allein lebenden Mädchen in Wien, danach berichtet ein Zeuge von einer Person in schwarzem Ledergewand. Und zufällig kommt in der Nähe des nächsten Tatorts eine Person vorbei, die genau so ausschaut? Sorry, aber wenn das Zufall sein soll, wird die …«
»Eigentlich haben Sie alle recht«, unterbrach Lily.
Die Blicke richteten sich auf sie.
»Ist übrigens den Zeugen an dem Motorradfahrer etwas aufgefallen? Irgendwas, das unpassend gewirkt hat? Jetzt einmal vom Helm auf dem Kopf abgesehen …«
Kovacs schüttelte den Kopf. »Nur dass die Person irgendwie leicht orientierungslos herumgeschaut haben soll und dann weitergegangen ist.«
»Sonst nichts?«
»Nein. Wieso?«
»Mir ist gerade eine Idee gekommen, Herr Kovacs … Aber momentan interessieren mich mehr die Unterschiede zu den bisherigen Morden. Wie war das noch einmal mit … ich meine, wie genau ist die Tat entdeckt worden?«
»Eine Nachbarin will Schreie gehört haben«, sagte Metka. »Sie hat sich beschweren gehen wollen, weil sie ein kleines Kind hat, das schlafen soll. Auf dem Gang hat sie Blutspuren bis zur Tür von Selma Jordis gesehen. Da hat sie sofort die Polizei alarmiert.«
Lily erinnerte sich an das Haus. Ein relativ schmaler Altbau. Gut möglich, dass man trotz der dicken Mauern mitbekam, was sich in anderen Wohnungen abspielte. Zumal wenn heftig geschrien wurde. Die betagten Wohnungstüren erschienen vergleichsweise undicht. Und die Blutspuren hatte Lily noch selbst gesehen.
»Herr Major«, fragte sie, »wie sind die Unterschiede in der Tatausführung zu beurteilen?«
Belonoz sah sie unschlüssig an. »Zwei Möglichkeiten. Entweder ist der Täter gestört worden und hat vorzeitig abbrechen müssen. Vielleicht war er noch in der Wohnung und hat die Nachbarin auf dem Gang bemerkt. Oder er hat sich bewusst anders verhalten. Aus welchem Grund auch immer. Dazu müssten wir ihn befragen.«
Lediglich Nika Bardel hatte bisher nichts beigetragen. Jetzt
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